Theater an der Kö: Premiere - Wie reiche Menschen jagen

Das Theater an der Kö zeigt mit "Blattschuss" ein entbehrliches Stück über die Sorgen der gehobenen Gesellschaft.

Wer nicht vorangeht, geht zurück. Das ahnte schon Matthias Claudius. Seit Donnerstagabend wissen es auch die Gäste vom Theater an der Kö: Die Lebensweisheit kann man getrost umdrehen. Denn wer den Rückwärtsgang wählt, kommt selten vorwärts. Auch Hausherr René Heinersdorff entdeckt mit seinem "Blattschuss" keine neuen Theaterpfade.

Am Beginn der Geschichte steht ihr Ende: Der tote Christian (Christoph Brüggemann) kommt unter die Erde, eine Frage dafür ans Tageslicht. Ist der Liebhaber von Madeleine (Maike Bollow) in die ewigen Jagdgründe eingegangen, weil er "in die Kugel stolperte", wie ihr Ehemann Eduard (großartig: Ilja Richter) angibt, oder wurde er von Eduard bei einem Jagdausflug gezielt ins Jenseits befördert? Das klingt nach einem Krimi, ist aber genauso wenig ein Thriller wie eine Schenkel-Klopf-Komödie.

Heinersdorff (Regie und Bühne) wirft einen analytischen Blick auf die Anhänger der High Society, die ihre Partner genauso häufig wechseln wie die Golfschläger. Doch auch wenn sich seine Schauspieler geschickt die Bälle zuspielen, trifft der Regisseur mit den Jagdszenen, die er rückwärts erzählt, nicht ins Schwarze.

Das Prinzip, Liebesirren und -wirren rückwärts aufzurollen, hat er immerhin konsequent umgesetzt. Dass sich die Zuschauer eine Zeitspanne von 19 Jahren mosaikartig zusammensetzen müssen, hat durchaus seinen Reiz. Wie Puzzleteile fügt sich im Rückblick eine Szene an die andere - bis ein allzu platter Schluss dem Ganzen jede Glaubwürdigkeit nimmt.

Während der Hirsch, den Eduard erlegen möchte, davonkommt, bleibt die Spannung auf der Strecke. Das liegt nicht allein daran, dass sich nur Szenekenner über die Schrullen eines homosexuellen Musikkritikers (Frank Büssing) abendfüllend amüsieren dürften. Auch die Rolle von Ulrike Kargus ist klischeebelastet: Die Pianistin Shao-Li entpuppt sich als hysterische Künstlerin mit Hang zur Wehleidigkeit.

Mehr Spielraum haben die beiden Hauptdarsteller, die keine Typen, sondern Persönlichkeiten verkörpern. Ilja Richter verleiht seiner Figur einen skurril-morbiden Charme, Maike Bollow gibt die kuppelnde Strippenzieherin mit einer vornehmen Lässigkeit.

Auch das Bühnenbild überzeugt. Egal, ob Wald, Golfparcours oder Tennisplatz: Der grüne Untergrund passt in jeder Szene. Trotzdem ist der "Blattschuss" kein Volltreffer, sondern ein entbehrliches Stück, das allerdings eine tröstliche Erkenntnis bietet: Auch die Mitglieder der High Society haben Sorgen und Nöte. Alkohol und Luxus genießen sie zwar im Freien, doch in ihrem Inneren spielen sich Konflikte ab.

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