Tanz Tanzhaus NRW: Choreograf Raimund Hoghe feierte 70. Geburtstag

Düsseldorf · Zum Wiegenfest des ehemaligen Bausch-Dramaturgen wurde seine Performance „Lettere amorose“ aufgeführt.

 Raimund Hoghes Stück „Lettere amorose“ war zu seinem 70. Geburtstag im Tanzhaus zu sehen.

Raimund Hoghes Stück „Lettere amorose“ war zu seinem 70. Geburtstag im Tanzhaus zu sehen.

Foto: Luca Giacomo Schulte

Geburtstagsfeiern haben doch eigentlich heiter zu sein. Besonders runde Geburtstage erfüllen uns stets mit einer Dankbarkeit, dass es dem Geburtstagskind gut geht, es noch immer bei uns ist, noch immer Teil unserer Welt sein kann. Umso mehr verwundert, dass die Geburtstagsfeier des in Wuppertal 1949 geborenen und in Düsseldorf lebenden Choreografen, Performers und eigentlich ursprünglich Journalisten und Dramaturgen Raimund Hoghe eine Art intime, tief berührende Gedenkstunde ist. So ganz und gar nicht heiter oder jubelnd.

Zu seinem Geburstag führte das Tanzhaus „Lette amorose“ auf

Keine Sorge, Hoghe ist wohlauf, doch wurde just zu seinem 70. Geburtstag, der nun mit einer Aufführung und einem Festakt am Tanzhaus NRW begangen wurde, sein stilles trauerndes Werk „Lettere amorose“ aufgeführt. Indes in einer neuen Bearbeitung, die die Aktualität des 1999 entstandenen Einmann-Stückes verdeutlicht. In diesem liest Raimund Hoghe selbst aus Briefen von durch Flucht ins Leid getriebenen Menschen. Einen aufrüttelnden Brief zweier Jugendlicher, die bei ihrem Versuch sich im Fahrwerk eines Flugzeugs nach Europa zu schmuggeln, erfroren sind oder auch ein Schreiben von der – auch in Wuppertal, damals Elberfeld geborenen – Else Lasker-Schüler, in dem die deutsch-jüdische Dichterin um Asyl in der Schweiz bittet.

Doch das 70-minütige Stück des ehemaligen Dramaturgen von Pina Bausch – das merkt man seiner Stilsprache bis heute an –, der seit 1992 gemeinsam mit Luca Giacomo Schulte ein beachtliches Oeuvre an Tanztheaterstücken geschaffen hat, lebt nicht nur von den Texten und deren eindringlicher Wirkung. Hoghes Performance ist durchdrungen von symbolhaft aufgeladenen Ritualen, die er in dem nackten Raum zu vielsagend ausgesuchten melancholischen Musiken vollzieht. Schon am Anfang eröffnet sich eine breite Palette an Assoziationsmöglichkeiten, wie auch Gerald Siegmund in seiner wundervoll philosophischen Laudatio im Nachgang betonte.

Zunächst liegt Hoghe im hinteren Teil des Raumes in eine Filzdecke gewickelt, wie ein Schlafender oder ein Toter? Große Wirkung verströmt das Aufwickeln einer gold-bronzenen Bahn zu Jacques Brels „Mon enfance“ (Meine Kindheit). Finger um Finger zieht Hoghe die Bahn heran, ganz langsam. Rührend, wie so oft bei ihm. Übrigens Hoghes Kindheit war keine einfache. Leidet der klein gewachsene Mann doch unter Rückgratverkrümmung, die ihn bis heute zeichnet, seine Mutter stirbt recht früh, er wird von seinem Großvater geprägt.

Sanfte, sich wiederholende Bewegungen kommentieren die gelesenen Briefe, Mikadostäbchen werden zu Symbolträgern, zu Häusern auf den Boden gelegt, Makisu – das sind Sushi-Matten – werden zu Paravents und immer wieder Ruhe, kontemplative Rückbesinnung, Totengedenken? Wie in der so packenden Blumenszene am Ende.

Herzlichen Glückwunsch und noch viel Energie für Ihre Kunst!

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