Statistiker verloren im Lügen-Labyrinth

Ein wirkliches Chaos und ein großes Vergnügen präsentieren die Schauspieler in „Nobody’s Perfect“ in der Komödie Steinstraße.

Statistiker verloren im Lügen-Labyrinth
Foto: R. Horstmann

Düsseldorf. Ein Mann, ein Buch. Aber im Frauenliteratur-Verlag kommen männliche Autoren-Namen gar nicht gut an. Daher hat Leonard ein Problem. Die Verlegerin Harriet schmeißt seine Manuskripte fast ungelesen in den Papierkorb. Dann bekommt der glücklose Hobby-Romancier, der hauptberuflich als Statistiker mit Zahlen jongliert, eine clevere Idee: Er schreibt unter weiblichem Pseudonym: „Myrtle“.

Das ist die Ausgangslage für komische Verwicklungen der klassischen Art. Fast konventionell ist die Grundidee für das Stück „Nobody’s Perfect“ von Simon Williams (Deutsche Fassung: Wolfgang Spier). Doch Dialoge, Situationen und Charaktere sind so raffiniert ausgefeilt und reich an originellen Pointen, dass des Amüsierens kein Ende ist. Der arme, unbeholfene Leonard, alleinerziehender Vater einer peinigend pubertierenden Tochter namens Dee Dee, verheddert sich so hoffnungslos in seinem Lügen-Labyrinth, dass wir das perfekte Chaos erleben — und genießen.

Die kleine Bühne der Steinstraßen-Komödie ist mal wieder ökonomisch ausgenutzt: Das Büro der strengen Verlegerin liegt diagonal zu Leonards Wohnung. Wände und kilometerweite Distanzen muss sich der Zuschauer denken. Sogar der Hauseingang zu Leonards Wohnung hat sein eigenes Bühnen-Fleckchen. Und alle diese räumlichen Abschnitte werden zu Schauplätzen dramatisch ulkiger Szenen.

Um dem ordnungsliebenden und emotional gehemmten Statistiker das Leben noch etwas schwerer zu machen, lebt in seiner Wohnung auch noch sein Vater Fred. Er geriert sich gewissermaßen als greises Enfant terrible: renitent, lüstern und immer im falschen Moment zur Tür herein.

Dass es zwischen Leonard und der Verlegerin Harriet erotisch knistert, bekommt der Zuschauer recht schnell mit. Und auch das Happy End ist zu erwarten. Doch auf dem Weg dorthin befinden sich herrliche Hindernisse. Schon Tochter Dee Dee bildet ein Problem. Wenn sich ihr die schicke Verlegerin professionell vorstellt als Harriet, „Frau um die 40“, missversteht die Pubertierende das als private Vorstellung und antwortet irritiert: „Das ist mehr, als ich wissen wollte.“

Das turbulente Stück steht und fällt auch mit Regie und darstellerischer Leistung: Alexander Wussow spielt den gebeutelten Leonard liebenswert linkisch. Ein kleines Kabinettstück ist auch sein Travestie-Auftritt als „Tante Myrtle“, wenn er völlig schräg versucht, sein weibliches Pseudonym zum Leben zu erwecken. Mit viel Spielfreude verkörpert derweil Harald Dietl Leonards kreglen Vater Fred, der partout nicht ins Altenheim abgeschoben werden will und sich jugendlicher gibt als sein eigener Sohn. Passend besetzt sind auch Isabel Schmid als Harriet und Johanna Martin in der Tochterrolle. Das Premierenpublikum zeigt sich begeistert und applaudiert mit stehenden Ovationen für perfekte Unterhaltung.

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