Kraftklub in Düsseldorf So eine Band gibt es nur alle Jubeljahre einmal

8000 Fans bejubeln die Chemnitzer Gruppe Kraftklub in der Halle an der Siegburger Straße.

Kraftklub in Düsseldorf: So eine Band gibt es nur alle Jubeljahre einmal
Foto: Matthias Merz/dpa

Düsseldorf. Es mag sich etwas ungelenk anhören, aber: Es gibt eine Sorte von Bands, die es alle Jubeljahre nur einmal gibt. Gemeint sind Bands, die nicht nur Platten verkaufen und Konzerte geben. Sondern Bands, die das Verständnis von Jugend definieren. Die der Zeit weder voraus eilen noch ihr hinterherhinken, sondern die wie eine Atomuhr sind: Sie zielen ins Herz und treffen den Zeitgeist einer nachwachsenden Generation auf die Sekunde genau.

Die aktuelle Zeitgeist-Atomuhr in Deutschland sind Kraftklub. Sie stehen auf der Bühne der ausverkauften Halle an der Siegburger Straße. Und schauen runter auf fast 8000 Menschen, die gekommen sind, um all das zu vergessen, was draußen auf sie einströmt und das zu erleben, was wirklich wichtig ist für Menschen, die maximal Mitte 20 sind: Freundschaft, Liebe, Liebeskummer, Teenage-Angst.

Wer das fühlen will, braucht heutzutage erstmal eine Gang. Kraftklub-Frontmann Felix Brummer gibt sie ihnen: „Wollt Ihr mit uns eine Gang aufmachen?“ Natürlich wollen sie. Und auf einmal stehen Künstler und Zuschauer auf einer Ebene. Du bist mein Freund und ich bin dein Freund. Die Musiker lassen sich auf den Händen der Menge durch die Halle tragen. Die Begeisterung schwappt in Wellen unablässig von vorne nach hinten und wieder retour. Ein Publikum, das derart in Bewegung ist, erlebt man heutzutage nicht mal mehr bei den Toten Hosen. Apropos Toten Hosen: Erstens stürmt deren dauerjugendlicher Drummer Vom Ritchie zur Coverversion des Ramones-Klassikers „Blitzkrieg Bop“ kurzerhand aus Reihe eins auf die Bühne, wo er mit erhobener Faust auf Brummers Rücken reitet.

Zweitens ziehen Kraftklub ihre Live-Gewalt aus dem gleichen Quell, wie das ihre Vorgänger als Alle-Jubeljahre-Bands - eben die Toten Hosen oder Die Ärzte - einst taten: Kraftklub sind zwar Stars. Aber sie sind imaginäre Dilettanten und Freaks, die auf der Verliererseite stehen. So wie das jeder kennt, ehe er später, im Alter, eine Familie gründet und gesetzt mit sich im Reinen ist. „Dein Leben läuft gut, meines läuft Amok“, singt Brummer. Oder: „Ich komm’ aus Karl-Marx-Stadt. Bin ein Loser, Baby. Original Ostler.“ Oder: „Wenn Du mich küsst, ist die Welt ein bisschen weniger scheiße.“

Kraftklub sind Die Toten Ärzte-Hosen 2.0. und singen all die „Zu spät“- und „Teenagerliebe“- und „Komm’ mit uns, verschwende Deine Zeit“-Songs nach. Nur eben dreimal schneller zum Stakkato-Beat in der 25-Jahre-später-Version. Brummer und Co. sind spindeldürr. Sie tragen Collegejacke, knallenge Jeans. Sie sind die Versteher und Checker im Hier und Jetzt. Und sie lassen die Jugend so durchdrehen, dass jede Frage nach einem tieferen Sinn des Lebens außer „Willst Du mit mir gehen?“ unwichtig wird. Genauso hat Rockmusik einst begonnen. Man könnte auch sagen: Wer über 40 ist und traditionell auf Rock steht, der wird Kraftklub für ihre Vitalität lieben. Und der wird sich vielleicht zum ersten Mal so richtig alt fühlen, wenn er denkt: „So war ich auch mal. Damals, bei meinem ersten Konzert von den Toten Hosen.“

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