Sieverding und ihre Szene

Porträts von Halbseidenen und Künstlern - die Fotografin überrascht im NRW-Forum mit einer Bilderflut.

Düsseldorf. Katharina Sieverding, Star der Kunstwelt, ist bekannt für ihre magischen, energiegeladenen und politischen Fotos, die die Sonne explodieren lassen und kritisch etwa auf Ausländerfeindlichkeit und Atom-Perspektiven reagieren. Aber es gibt auch Porträts und Selbstportraits von suggestiver Wirkung. Zur Quadriennale hat die 66-Jährige ihr Archiv gesichtet und zeigt die Kunstszene der letzten 40 Jahre in einer flirrenden Folge von Fotostreifen und in einem dicken Katalogbuch.

Ihre Anfänge liegen im In-Treff "Lover’s Club" an der Düsseldorfer Kö. Dort kellnerte sie mit Goldstaub im Gesicht und setzte sich anschließend in einen Passfoto-Automaten im Keller, der ihre Maske festhielt. Das war der Anfang ihrer Verfremdungen des eigenen Ichs.

Im letzten Jahr fand sie Kartons mit alten Teststreifen, mit denen sie früher den Härtegrad eines Abzugs prüfte. Sie begann, mit diesem Fundus zu spielen und die Bilder in Dreiergruppen zu kombinieren. Sie zeigen Berühmtheiten wie Gabriele Henkel, Sigmar Polke und Joseph Beuys, aber auch Dragqueens, Türsteher und Puffkönige. Es gibt Wahlverwandtschaften wie Julia Stoschek mit Andreas Gursky, Katharina Sieverding mit Imi Knoebel und Imi Giese. Die 1740 Fotofragmente werden nun als Projektionen im 15-Sekunden-Takt beliebig kombiniert und an die Wände im NRW-Forum geworfen.

Ihr Gegenüber fühlte sich dank der Schacht-Kamera nicht beobachtet

Katharina Sieverding fotografierte schon in den 60er Jahren überall und ständig, doch ihre Bilder wirken unmittelbar - nichts ist gestellt. Denn sie arbeitete mit einer geliehenen Schachtkamera, in die sie oben hineinsah, weil sie unten im Schacht ihr Motiv kontrollierte. "Da spielte sich alles auf dem Boden ab, was man sonst in Augenhöhe sieht", sagt sie. Das Gegenüber sah nur ihren gesenkten Kopf und fühlte sich überhaupt nicht mehr beobachtet.1973 hatte sie eine Idee, die sie berühmt machen sollte. Mit der Motorkamera nahm sie sich und ihren Freund und späteren Ehemann Klaus Mettig auf. Anschließend schichtete sie die Dias übereinander. Das Ergebnis, "Transformer", wurde zum Sinnbild für die Gleichstellung der Geschlechter, damals ein heftig diskutiertes Thema. "Ich glaube zutiefst, dass ich auch das Bild des Männlichen in mir entwickle", sagt sie heute. Gerade amerikanische Museen wie das Museum of Modern Art in New York reißen sich um diese Bilder.

Als eine der ersten produzierte sie Fotos von mehreren Quadratmetern

Furore machten ihre China-Bilder im Kalten Krieg, als kaum jemand die Grenze passieren durfte. "Wir sind als KPD-Sympathisanten, als Mitglieder der Deutsch-Chinesischen Freundschaft gefahren." Nachdem sie als eine der ersten schon Großfotos von mehreren Quadratmetern produziert hatte, wollte sie wissen, wie solche Panoramabilder im "Ost-Imperium" hergestellt werden.Warum kehrt diese Frau, die ständig kreuz und quer durch die Welt reist, immer wieder nach Düsseldorf zurück? "Als ich 1992 den Lehrstuhl in Berlin antrat, überlegten wir, ob wir übersiedeln sollen. Aber da gingen die Kinder noch zur Schule." Sie habe es nicht bereut, sagt sie heute. "Ich verschwinde in meiner Fabrik und arbeite in Ruhe. Ich freue mich, hierher zurückzukommen. Dann lache ich wie der Beuys."

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