Shakespeares „Der Sturm“: Gefühle kommen wie ein Pups

Regisseurin Liesbeth Coltof erzählt Shakespeares „Der Sturm“ im Theaterzelt für Kinder und Erwachsene.

Shakespeares „Der Sturm“: Gefühle kommen wie ein Pups
Foto: David Baltzer

Düsseldorf. Für ihre Liebe reicht ein Blick. Miranda und Ferdinand erkennen, dass sie einander wollen. Unbedingt und sofort. Selbst Prospero, Mirandas Vater und großer Magier, kann sich dem Reiz des romantischen Gefühls, das alle Gesetze außer Kraft zu setzen vermag, nicht entziehen. Er erteilt seinen Segen und mahnt doch, sich nicht gleich ganz hinzugeben. Immer diese Eltern. Knutschend und schmachtend verschwinden die beiden hinter den Kulissen.

Soweit die Liebesgeschichte, mit der Shakespeare sein letztes Werk „Der Sturm“ bestückt. Romanzen ziehen im Theater, das gilt seit jeher. Auch die niederländische Regisseurin Liesbeth Coltof lässt den Turtelnden gerade genug Raum, damit sich der Charme der Verliebten (Maria Perlick, Jonathan Gyles) verbreiten kann. Ins Zentrum ihrer vor allem für Kinder neu übersetzten und inszenierten Fassung stellt sie die Frage, was eine Verletzung, eine Kränkung und die Gier nach Rache lindern kann: Vergeltung oder Vergebung?

„Es fängt an“, sagt Prospero (Rainer Philippi) und schickt den Luftgeist Ariel (Puppenspielerin Alessa Kordeck) aufs Meer, um das Schiff der Feinde sinken zu lassen. „Eine Chance wie diese habe ich nur einmal.“ Der Donner grollt und die Blitze zucken, der Sturm tobt. Vor zwölf Jahren wurde er, der Herzog von Mailand, Opfer eine Verschwörung und strandete mit seiner dreijährigen Tochter auf dieser Insel. Dort herrscht Prospero seitdem, hat sich Ariel und Caliban (Konstantin Lindhorst), den Sohn einer bösen Hexe, zu Untertanen gemacht. Er wartet auf den richtigen Moment, um sich zu rächen. Und dann geht es los mit den beiden Liebenden, mit zwei Trunkenbolden, die über diesen von Zivilisationsmüll umspülten Unort stapfen und ihr eigenes Königreich ersinnen, und den düsteren Adeligen, die sich selbst als Verlorene noch gegenseitig aus dem Weg schaffen wollen.

„Der Sturm“ ist ein komplexes Werk, und es Menschen erzählen zu wollen, die gerade mal zehn Jahre alt sind, fordert viel. Mit beeindruckender Gelassenheit gelingt es der erfahrenen Regisseurin Liesbeth Coltof, die Handlungsstränge zu entwirren. Einmal mehr beweist sich das Theaterzelt als wunderbar passender Ort, um Shakespeare zu präsentieren. Puppenspiel mit einfachsten Mitteln, sieben Darsteller, die zusammen 15 Rollen übernehmen — handgemachtes, unmittelbares Schauspiel.

Prospero leitet die rund um die Bühne sitzenden Zuschauer durch das Toben. Bis Klarheit herrscht, ob Wut oder Rache, Mitleid oder Vergebung siegt. Er sagt ins Publikum: „Gedanken und Gefühle kommen, als ob man pupsen muss.“ So einfach ist das. Gar nicht einfach ist es, aus den Auftritten fantastischer Götter, fantasierender Witzbolde, verliebter Paare und verschwörerischer Attentäter ein Ganzes zu schaffen. Mit mehr als zweieinhalb Stunden samt Pause strapaziert die Aufführung sicher die Geduld mancher gerade auch jüngerer Zuschauer. Aber Coltof gelingt mit dieser Ruhe, die Schönheit der Shakespeare-Sätze zu bewahren und sie auch für ungeübte Ohren klar und verständlich klingen zu lassen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort