Electri-City Wie ein Sex Pistol zu einem Sex Pistol wurde

Düsseldorf · Bei der Electri-City-Conference sprach Bassist Glen Matlock über die Anfänge seiner legendären Band.

 „Electri-City-Conference“-Organisator Rüdiger Esch (Mitte) mit Model und Schauspielerin Jordan Mooney und Glen Matlock.

„Electri-City-Conference“-Organisator Rüdiger Esch (Mitte) mit Model und Schauspielerin Jordan Mooney und Glen Matlock.

Foto: John M. John / www.johnmjohn.de/John M. John

Fast schon irrwitzig ist es, wie dieser Sex Pistol dort vorne sitzt — dunkles Jackett, braunes Hemd, fein frisiert, eloquent — und den Grund, warum eine Band wie seine damals so durchstarten konnte, in wenigen grundehrlichen Sätzen ausspricht: „London war damals voller Müll. Überall liefen Ratten herum. Die IRA ließ Bomben hochgehen“, sagt Glen Matlock. Und dann sei sein neuer Chef, Malcom McLaren, der ihn kurz zuvor als Verkäufer in seinem gleichsam verrückten wie eine ganze Subkultur prägenden Klamottenladen auf der King’s Road eingestellt hatte, von einem New-York-Trip zurückgekommen und habe die Setlist eines Konzertes von Richard Hell, das er dort besuchte hatte, auf die Eingangstür gepappt. „Blank Generation“ habe da als ein Songtitel draufgestanden. Leere Generation. „Und genau so fühlten wir uns damals.“ Soll heißen: Der Urknall musste kommen. Er war unausweichlich.

Es knallte am 26. November 1976. „Anarchy In The UK“ von den Sex Pistols schlug ein in Single-Charts, an deren Spitze gerade die Romantikpopper von Chicago „If You Leave Me Now“ gurrten. Und beinahe nachempfinden können diesen Wumms die Gäste bei der „Electri-City-Conference“ im Haus der Universität am Schadowplatz. Weil Organisator Rüdiger Esch mit Matlock und zudem Jordan Mooney eben zwei Gesprächspartner für seine rund dreistündige Rederunde eingeladen hat, die damals, bei der Erfindung des Punk, zu denen gehörten, die auf den Boden des Zeitgeistes traten und jene Schockwellen auslösten, die von England aus in alle Richtungen jagten und das Fundament des Musikbusiness zum Beben brachten.

Matlock war der erste Bassist der Sex Pistols und schrieb unter anderem den erwähnten Urknall-Song, später noch das nicht minder populäre „God Save The Queen“. Die Blaupausen, Anzünder und Flammen dieser vielleicht wichtigsten Subkultur des Planeten. Mooney wiederum – in Düsseldorf erzählt sie mit lila Haaren, Sonnenbrille und Lederjacke von früher – war die erste, die damals rund um den auf den Namen „Sex“ getauften Laden des Pistols-Managers McLaren jenen Look prägte, der heutzutage untrennbar mit Punk verbunden ist: Die Haare wild aufgetürmt, die Augen extrem geschminkt, die Hosen zerrissen und mit Ketten und Schlaufen immer dezent in Richtung SM deutend, die Shirts mit provozierenden Parolen bemalt. Bis heute werden Matlock und Mooney millionenfach kopiert, sobald es irgendwo auf der Welt um Aufbegehren und laute Gitarren geht.

Ob dieser Bedeutung für die populäre Kultur entpuppt sich das englische Duo natürlich als Glücksfall für die fünfte Auflage dieser von Esch und seinem Team leidenschaftlich aufgezogenen Düsseldorfer Musikmesse. Indes setzen sie noch einen drauf: Im Anschluss an die Talk- und Leserunde, bei der nicht zuletzt Tote-Hosen-Schlagzeuger Vom Ritchie sichtlich genussvoll zuhört, signiert Mooney ihr neues Buch „Defying Gravity“, das jüngst erschien und sich dem Punk-Urknall widmet. Und Matlock? Signiert ebenso alles, was ihm vor die Nase gehalten wird – und spielt gar noch ein paar Songs auf seiner Gitarre im Plattenladen „A&O-Medien“ nebenan. Darunter „Pretty Vacant“. Und „Anarchy In The UK“. Klar. Pistols-Evergreens aus seiner Feder. Der Mann weiß eben, was Sache ist.

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