„Seitenwechsel“: Der kostbaren Schau fehlt das Konzept

Das museum kunst palast zeigt eine Auswahl aus seinen Beständen unter den Titeln „Seitenwechsel“ und „Auf Papier“.

Düsseldorf. Wer weiß schon, dass Julius Bissier, der abstrakte Poet der 50er Jahre, mit einer kleinen, feinen "Lautnerin" 1922 angefangen hatte. Von diesem bescheidenen Bild in Öl auf billigem Sperrholz geht ein leichter Zauber aus. Es wurde frisch aus den Depots am Ehrenhof in den Kunstpalast befördert.

Dort werden heute zwei Ausstellungen aus eigenen Beständen eröffnet, "Seitenwechsel" und "Auf Papier". Dabei kann man wunderbare Dinge entdecken. Leider wird aber der Besucher bei dieser Bilderflut völlig allein gelassen.

365 kostbarste Handzeichnungen hängen im Abstand weniger Zentimeter an den Wänden im Kunstpalast, in Reih und Glied. Sie bilden eine Auswahl aus 70 000 Blättern der berühmten Grafischen Sammlung des Hauses.

Von Raffael und Bellini bis Trockel, Veronese bis Dumas, Corregio bis Beuys, Elsheimer bis Klinger und Corinth ist eine Blütenlese zu sehen. Es gibt sogar eine Federzeichnung Géricaults zum "Floß der Medusa" im Louvre.

Dennoch überfordert die Schau den Gutwilligsten, es fehlt jegliche Struktur. Wer wissen will, wie all die Dinge ins Haus kamen, muss halt den stattlichen Katalog erwerben.

Souverän ist die Moderne vom neuen Abteilungsleiter Kay Heymer gehängt. Nach einem Präludium mit dem perfekt gemalten "Untergang der President" (1842) von Andreas Achenbach geht es zu einem gleichfalls spektakulären "Abschied aus Düsseldorf". Gert Wollheim, Zentralfigur der Malkasten-Szene in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts, nimmt in diesem Bild die Goldenen Jahre in Berlin voraus.

Heymer erinnert zugleich an den grandiosen Reigen von Gemälden der abstrakten Kunst, die einst sein Vorgänger Friedrich W.Heckmanns klug und zukunftsweisend mit minimalen Mitteln erworben hat, von A wie Josef Albers bis zu den Schweizer Konkreten.

Dazwischen geschoben sind Kostbarkeiten der 30er Jahre. Zum Ausklang gehört eine exquisite Dreiergruppe der Avantgarde um 1960, mit Werken von Ronald B. Kitaj, Allen Jones und David Hockney.

Ein zweiter Höhepunkt sind die Madonnen aus Romanik, Gotik und Renaissance. Sie wurden großenteils in den späten 20er und 30er Jahren des 20.Jahrhunderts angekauft, als man den Kunst-Anteil nach der Übernahme des Kunstgewerbemuseums verstärken wollte.

Nach dem zweiten Weltkrieg gelangten kapitale Holzskulpturen vor allem über den Mönchengladbacher Textilfabrikanten Hermann Schwarz in den Ehrenhof. Das Lächeln der Maria ist archaisch bis lieblich.

Soeben restauriert ist eine steinerne Maria aus der Normandie (um 1300), sehr französisch in der Kleidung und in den Bewegungen des Faltenwurfs. Im Dialog mit den Museumsbildern der Fotokünstlerin Candida Höfer entsteht eine wunderbare, fast schon heilige Atmosphäre.

Die Herkunft des Museums aus dem Kunstgewerbe wird in einer Mustersammlung aus dem alten Zentralmuseum am Grabbeplatz deutlich, die in alten Kästen die Zeiten überdauerte.

Unweit davon lassen ein Prachteinband des Koran und ein iranischer Zeremonien-Stab mitsamt Dämonen-Kopf ahnen, dass da noch mehr Schätze zu heben sind. Die Chance, die Historie am Ehrenhof aufzuarbeiten, wird jedoch verpasst.

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