Schwerer Seegang auf dem Containerschiff

Die Compagnie Les Ballets C. de la B. verblüfft mit politischem Tanztheater und verkörpert die Ausbeutung Afrikas.

Düsseldorf. Der Viktoriasee, größter See Afrikas, ist Ort einer ökologischen Katastrophe: die Ansiedlung des dort ursprünglich fremden Nilbarsches, der als Viktoriabarsch in unsere Breiten exportiert wird. Ein Beispiel für die Ausbeutung der so genannten Dritten Welt und etwas, worüber sich Koen Augustijnen aufgeregt hat. Aber wie geht man als Choreograf damit um? "Import Export" hat Augustijnen sein Stück für die Genter Compagnie "Les Ballets C. de la B." genannt, das sie beim Altstadtherbst zeigten. Die Truppe wurde gerade - zusammen mit den ebenfalls aus Belgien stammenden "Rosas" - von einer Fachjury zur "Compagnie des Jahres" gekürt. Bekannt ist sie für ihre Stilbrüche und die Welthaltigkeit ihrer Choreografien.

Kleine Container stapeln sich auf der Bühne, Jean Bernd Koeman hat einen Platz des Warenumschlags gebaut, einen Hafen. In einer erhöhten Nische ist Platz für das Kirke Streichquartett und den Countertenor Steve Dugardin, sie lassen live barocke Musik erklingen, die Bart Vandewege mit elektronischer Musik von Sam Serruys geschickt verknüpft hat.

Den zunehmenden Wassermangel und die anwachsenden Flüchtlingswellen aus Afrika behandelt Augustijnen als weitere Themen. Zu Beginn hocken die vier Tänzer und zwei Tänzerinnen im Schneidersitz auf der Bühne, schaukeln hin und her, als säßen sie bei schwerem Seegang in einem Container. Später wird das Ensemble sich heftig um eine Flasche Wasser streiten.

In der zentralen Szene singt die farbige Kubanerin Lazara Rosell Albear ein Lied, in dem der Name des Landes Tansania auftaucht, das am Viktoriasee liegt. Augustijnen, der selbst mittanzt, wiederholt zynisch den Namen und zwingt Albear, sich auszuziehen, eine Demütigung, die die Ausbeutung Afrikas symbolisiert.

Überhaupt ist die Kommunikation vorwiegend von Gewalt auf der einen, Ohnmacht auf der anderen Seite gekennzeichnet. Mal drangsalieren sich Paare untereinander, mal die Gruppe einen einzelnen. Scheinbar ironisch durchbrochen wird das, als das Ensemble an der Rampe gestisch stille Post spielt: Es beginnt mit Betatschen und endet mit obszönen Gesten, Herunterziehen der Hosen, erneuten Demütigungen.

Das Stück ist episodisch strukturiert, es entspannt sich kein Bogen. Dennoch versteht dieses politische Tanztheater zu fesseln. Die Welt, die Augustijnen zu den betörenden Melodien des Countertenors zeigt, ist keine freundliche Welt. Mit ihrer beeindruckenden Physis verleihen die Akteure den Aktionen eine Heftigkeit, die unter die Haut geht. Viel Applaus.

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