Schrille Komödie um schwule Scheinehe

Regisseur Christian Kühn inszeniert das Stück im Theater an der Kö. Dabei geht es bisweilen schrill und klischeehaft zu.

Schrille Komödie um schwule Scheinehe
Foto: Dennis Häntzschel

Düsseldorf. Henri de Sacy ist schön von Gestalt, feinsten Geblüts und doch schwach von Charakter. Weder Frauen noch Kohle kann der junge Mann aus uralter Familie widerstehen, zumal wenn er dafür keinen Finger krümmen muss, sondern durch einen Erbfall um eine Millionen Euro reicher werden kann. Einziger Haken im Testament seiner verblichenen, sittenstrengen Tante Yvonne: Er muss binnen eines Jahres unter der Haube sein und bleiben. Sonst geht die Million an ein Kloster. Und auf welchen Deal lässt sich Schlitzohr und Schürzenjäger Henri ein? Er heiratet kurzerhand seinen Freund Dodo, einen arbeitslosen Schauspieler, der bei ihm einzieht, lauter rosa Hemden bügelt und sich am Ende in ein rosiges Schweinchen Dick verwandelt.

Sehr schrill geht es zu in „Meine Braut, sein Vater und ich“ — in der Komödie, die seit fünf Jahren in Pariser Boulevard-Theatern die Kassen klingeln lässt und kürzlich sogar vom ersten Fernsehkanal TF1 ausgestrahlt wurde. „Zum Saison-Schluss etwas Leichtes“, schmunzelt René Heinersdorff, der dieses Stück über eine schwule Scheinehe jetzt in seinem Theater an der Kö herausbringt. Monsieur inszeniert nicht selbst, sondern überlässt das dem 33-jährigen Christian Kühn, der an nahezu maßloser Überspitzung und grotesken Situationen Vergnügen hat. Er hetzt seine Schauspieler wie hochgetunte Comedians aufeinander und ergötzt sich an Verdrehungen und Verwechslungen rund um das heterosexuelle Schwulen-Ehepaar, die die Lachmuskulatur arg strapazieren.

Die bejubelte Premiere am Freitagabend war — trotz Brückentag — gut besucht. Treffender als der deutsche ist der französische Titel: „Le Gai mariage“. Er spielt mit der doppelten Bedeutung: ‚Gai’ — zu Deutsch: fröhlich, lebensfroh; „schwul“ heißt es nur im übertragenen Sinn. Doch beide Ebenen vereinen sich nur mühsam. So will schwule Lebensfreude erst zum Schluss des manchmal keuchenden Slapstick-Marathons aufkommen. Sobald Dodo (eine Mischung aus trotzigem Muttersöhnchen und verkanntem Genie) sich auf die Scheinehe einlässt, zieht er in Henris schicke Pariser Wohnung ein. Dort fliegen die Fetzen.

Nur schwer kann sich der pingelige Jungadlige Henri an einen Alltag mit dem derb grunzenden und nervös hampelnden Dodo gewöhnen. Außerdem hat Henri große Mühe mit Dodos chaotisch schlampiger Lebensweise. Dodo steht zwar genauso wenig auf Männern wie er, wittert aber manche Prozente Provision. Denn Ehe ist Ehe: Die sogenannte Homo-Ehe ist in Frankreich gesetzlich anerkannt. Damit jongliert das Autoren-Duo in kalauernden, aber intelligent gebauten Dialogen. Regisseur Kühn setzt allzu gerne noch einen drauf, liebt Späße aller Art, ober- und unterhalb der Gürtellinie und lässt Andreas Köhler (als Dodo) extrem auf-, später überdrehen. Das nervt, zumindest an einigen Stellen. Erst im zweiten Teil vertraut Monsieur Kühn dem überschäumendem, aber kontrollierten französischen Humor. Jetzt überzeugen auch Protagonisten wie Jens Hartwig (als Henri) und Max Schautzer als dessen Vater Edmond. Man glaubt es kaum: Der betagte Edmond beichtet seinem Spross, dass er selber schwul ist. Denn fast alle braven Ehemänner in seiner Familie - angeblich seit dem Mittelalter - hätten heimlich Beziehungen zu Männern gehabt. Wie sich der einst beliebte TV-Moderator („Pleiten, Pech und Pannen“ und „Immer wieder sonntags“), in eine schwebende Tunte verwandelt, ist sehenswert. Dabei merkt man Schautzer kaum an, dass er bereits seinen 75. Geburtstag gefeiert hat. Er hat keine Mühe mit Tempo und Slapsticks, macht etwas her als alternder Dandy in dem Appartement Kunterbunt und wird beim ersten Auftritt mit Szenenapplaus begrüßt.

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