Schauspielhaus: Viel Theater und wenig Zirkus

Die ersten Premieren, Gastspiele und Publikumsgespräche sind über die Bühne. Eine Bilanz zum Neustart am Schauspielhaus.

Düsseldorf. Staffan Holm ist da. Bei jeder Premiere, jedem Publikumsgespräch und jeder Party der vergangenen vier Wochen im Schauspielhaus. „Ich bin kein Mann für deutsche Reden“, sagt der schwedische Generalintendant und hält sich im Hintergrund. Aber er ist ein Mann der Tat: Um zu zeigen, wie sehr ihm das Gastspiel „Clash“ von Nurkan Erpulat gefallen hat, nimmt er seinen Hausregisseur in die Arme und küsst ihn. „Der Kuss ist auch für euch“, erklärt er dem Ensemble aus Berliner Schauspielern und Jugendlichen, die in Düsseldorf einen furiosen Abend abgeliefert haben.

Türken und Deutsche, Moslems und Christen, Integration, Hartz IV und die Thesen Thilo Sarrazins — immer wieder lassen die Figuren auf der Bühne mit ihrer Geschichte die Zuschauer in die Klischee-Falle tappen. Wie aktuell ihr Thema ist, zeigt das anschließende Gespräch mit dem Publikum. Hitzig debattieren die Beteiligten über Politik und darüber, wie wir zusammenleben wollen. Es geht hin und her.

Das ist für ein Theaterstück eine ganze Menge. Der bundesweit gefeierte, türkisch-stämmige Regisseur Erpulat bedeutet sicher einen Gewinn für Holms Team. Leider hatten die ersten sechs Premieren im Großen, Kleinen und Jungen Schauspielhaus nicht immer eine so starke Wirkung.

Die größte Enttäuschung ist „Hamlet“. Zu sehr hat sich Holm davon leiten lassen, dass sich sein Neustart in Düsseldorf in der Inszenierung spiegeln müsse. Der Goldkasten, den seine Frau Bente Lykke Moller als Bühnenbild entworfen hat, lässt keine Bewegung zu. Die teils ästhetisch schönen Bilder berühren für einen Moment, doch das Drama aller Dramen entfaltet keine Sogkraft. Zudem wirken die direkten Bezüge zu Düsseldorf zu aufgesetzt, als dass sie der Erkenntnis dienen.

Einen Beweis hat „Hamlet“ aber gebracht: Holm hat ein sehr gutes Ensemble zusammengestellt. Das haben Aleksandar Radenkovi, Imogen Kogge und Rainer Bock genauso gezeigt, wie die Darsteller in Nora Schlockers etwas zäher Inszenierung „Einsame Menschen“ und in der sehr originellen Bühnenadaption des Houllebecq-Romans „Karte und Gebiet“ von Falk Richter.

Beide Regisseure gehören wie Erpulat fest zum Haus und haben zum Auftakt hervorragende Visitenkarten mit Gastspielen aus anderen Theatern abgegeben: „Die schmutzigen Hände“ weisen Schlocker als klare und psychologisch tiefsinnige Regisseurin aus. Richter besticht in „Play Loud“ durch ein gekonntes Zusammenführen von Spiel, Video-Projektion und Musik. Mit ihm rückt Theater aus Frankreich und Belgien ein Stück näher. Die Drei haben unterschiedliche Handschriften, was einen Reiz ausmacht. Damit kann Holm das Profil seines Hauses schärfen, ohne den auf allen Spielplänen auftauchenden Namen nachjagen zu müssen. Und dass ein australischer Regisseur ein feines Händchen dabei bewiesen hat, die Düsseldorfer mit der Aktion „Democratic Set“ zum Spielen ihres eigenen Stücks zu bewegen, zeigt: Am Gustaf-Gründgens-Platz geht es international, dem Publikum zugewandt und ohne viel Zirkus zu. Das ist ja schon mal was.

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