Schauspielhaus: Iphigenie auf schwankendem Boden
Gute Schauspieler und eine elegante, etwas glatte Inszenierung lassen viel Raum für Goethes Sprachgewalt.
Düsseldorf. Iphigenie streckt die Zunge raus, sie verdreht die Augen und schüttelt ihren Kopf, als könne sie so ihre Sicht klären. Was soll ihr Tun leiten? Aus Liebe zum Bruder Orest den Herrscher Thoas, der sie ehrt, achtet und begehrt, hintergehen? Oder darauf vertrauen, dass Wahrheit und Menschlichkeit eine Stimme haben, die jeder hört?
In gut eineinhalb Stunden wird Goethes „Iphigenie auf Tauris“ unter der Regie von Mona Kraushaar jetzt im Großen Haus am Gründgens-Platz verhandelt. Nicht viel Zeit für den allumfassenden Bogen, den dieses Schauspiel schlägt. Doch Zeit genug, um die geradlinige, etwas glatte Inszenierung, fünf überzeugende Schauspieler und eine elegante Bühneneinrichtung genießen zu können.
Iphigenie schwebt zwischen Himmel und Erde. Die vom Vater zu Beginn des Trojanischen Krieges geopferte und von der Göttin Diana gerettete Griechin lebt als Priesterin auf der Insel Tauris. Eine schiefe Ebene grauer Steinplatten schwebt im Bühnenraum, gehalten von filigranen Stangen. Dieser Tempel ist kein Gefängnis, auch wenn sich Iphigenie, getrieben von ihrem Gewissen und auf der Suche nach einem Ideal, von einer Ecke zur anderen bewegt. Der Boden wankt, über Leben und Tod entscheiden nicht die Götter, sondern der Mensch hat die Wahl.