Schauspielhaus: Es kracht zwischen Alt und Jung

Das Junge Schauspielhaus mischt Turgenjews „Väter und Söhne“ mit aktuellen Interviews.

Düsseldorf. Es ist russische Woche im Schauspielhaus. Nach Andrea Breths Babel-Abend im Großen Haus bringt jetzt Frank Abt im Jungen Schauspielhaus Iwan Turgenjew auf die Bühne. Und ging es dort um die Töchter, so sind jetzt die „Väter und Söhne“ dran. Im Zentrum von Turgenjews berühmtem Roman von 1862, der in der Dramatisierung von Brian Friel gespielt wird, steht ein Generationenkonflikt.

Arkadij und Bazarow kommen nach dem Studium nach Hause und suchen in der Auseinandersetzung mit den Eltern ihren Lebensweg. Zunächst landen sie auf dem Gut von Arkadijs Vater Nikolaj. Der daueroptimistische Arkadij des Vincent zur Linden umarmt seinen Vater herzlich und gratuliert locker zum Nachwuchs mit der neuen Liebschaft Fenitschka. Jan-David Bürgers Barzanow dagegen geht gleich in den Clinch mit Nikolajs Bruder, macht sarkastisch auf Politproll und schwadroniert von der Liebe als physischem Akt. Hauptsache Zoff.

Der Reiz des Abends liegt darin, dass der Generationenkonflikt bereits in der Besetzung durchgespielt wird. Abgesehen von Rainer Galke und Claudia Hübbecker werden alle Rollen von Jugendlichen verkörpert, die beeindruckend gut spielen. Trotzdem bleibt die Interpretation mit ihren historisierenden Kostümen und der Bretterbühne (Ausstattung: Oliver Helf) zunächst allzu zahm.

Spannender wird es, wenn die Gegenwart sich konkret ins Spiel mischt, wenn sich die anfangs nur per Video eingespielten Texte aus Interviews mit Düsseldorfer Vätern und Müttern (nachgesprochen von Claudia Hübbecker und Rainer Galke) regelrecht in Turgenjews Dialoge hineinfressen. Da salbadert Barzanows verständiger Vater (Rainer Galke) gerade noch über jugendliche Abgrenzung und erzählt plötzlich von galoppierender Computertechnologie. Die von den Jungen gespielten Alten wechseln ebenfalls munter zwischen Russland 1862 und heute. Reales und gespieltes Alter reiben sich aneinander, ein Hauch von Brechtschem Lehrstück weht durch den Raum.

Nur die Liebe scheint generationenunabhängig: Der Dialog zwischen Barzanow und Anna wechselt bruchlos zwischen den Jugendlichen und dem Paar Hübbecker/Galke hin und her. Warum hier allerdings nicht stärker die Erfahrungen der Jugendlichen als Textmaterial einbezogen wurden, bleibt die Frage.

Am Ende passt sich Arkadij scheinbar an und heiratet, Barzanow dagegen behandelt Bauern gegen Typhus, infiziert sich und stirbt — was vom Ensemble mit fragilen Glasharfenklängen untermalt wird. Der Nihilist wird zum Idealisten. Eine Art früher konsequenter 1968er. Deren Enkel wachsen derzeit heran. Vielleicht treten sie das Erbe der Großväter einmal an, das der Väter ist doch zu lau.

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