Rundgang Kunstakademie: Die Avantgarde gibt sich ironisch

Gut 45 000 Besucher werden ab Mittwoch zum traditionellen Rundgang in der Düsseldorfer Kunstakademie erwartet.

Düsseldorf. Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi erhält beim Akademierundgang am Düsseldorfer Eiskellerberg Konkurrenz. In zwei Räumen hängen Kopien von Malergrößen wie Gerhard Richter, David Hockney oder Alex Katz. Magrittes „Vergnügen“ wurde sogar direkt in der Kunstsammlung abgekupfert.

Entstanden sind dennoch keine Betrügereien. Vielmehr hat Malereiprofessor Eberhard Havekost seinen Schülern den Auftrag gestellt, ihr Lieblingsbild zu malen. Keine schlechte Vorgabe, wie Student David Benedikt Wirth findet. Er hält es für anmaßend, wenn junge Leute meinen, ihre künstlerische Inspiration komme nur aus dem eigenen Ich.

Der Rundgang ist gewissermaßen die Leistungsschau von mehr als 500 Studenten. Neue Feuerschutztüren mussten eigens dafür eingebaut werden, denn rund 45 000 Besucher werden von Mittwoch bis Sonntag erwartet. Die Ausstellung gilt als Gradmesser der Avantgarde. Das Aneignen hehrer Werke aus der Vergangenheit spielt eine Rolle. Vivian Greven (Grünfeld-Klasse) spricht vom „Remix“ und verquickt diverse Venus-Figuren zu einer perfekten Kunstfigur.

Die Politik hingegen spielt an der multikulturellen Akademie eher eine bescheidene Rolle. Jonathan Auth (Anzinger-Klasse) nimmt das internationale Finanzsystem auf die Hörner. Seine bravourösen Börsen-Bullen platziert er in eine fiktive Landschaft und lässt sie sich begatten. Sabrina Seppi (Brandl-Klasse) stülpt ihrer feinen Gesellschaft venezianische Masken über, als beginne gleich ein Trauerfestzug. Anna Szermanski (Fritsch-Klasse) baut Särge für Knochenmänner.

Unterm Dach agiert die Video-Klasse von Marcel Odenbach. Arsene Schuster filmt brennende Autoreifen auf dem Maidan in Kiew. Silke Schönfeld projiziert einen Propagandatext der IS-Terroristen auf die Wand und lässt ihn von einer Deutschlehrerin auf grammatikalische Fehler untersuchen. Dimitrij Kosakov (Anzinger-Klasse) ist Spätaussiedler aus der Ukraine. Teile seiner Familie wohnen in Donezk. Er findet den Konflikt in seiner Heimat schrecklich und malt stattdessen zarte, kosmische Gebilde in vielen Lasuren.

Nach dem Abgang von Akademielehrern wie den Bildhauern Georg Herold und Tony Cragg müssen Semesterprofessoren die Schar der Anfänger und Flurstudenten (Eleven ohne Professor) aufnehmen. Der Kreativität tut das keinen Abbruch: Die Studenten Carmen Schaich und Mena Moskopf hatten die Idee für eine wasserfeste Plane. Die spannt sich nun über die Köpfe der Besucher. In den Stoff sind kreisrunde Löcher geschnitten. Nun dürfen die Neugierigen auf Treppchen steigen, den Kopf durch die Löcher schieben und die Bilder an der Wand beäugen. Wie aus Samuel Becketts Einakter „Endspiel“ wirkt das Ganze.

Von höchster Qualität sind die Bildhauer-Klassen. Thorsten Schoth (Fritsch) stellt eine schlanke Gipsfigur rücklings vor einen blauen Farbverlauf. Ein androgyner Jesus scheint sich ein Korsett umzulegen. Sulamith Loomans (Vermeiren) hat eine irritierend schöne Holzfigur geschnitzt, die sich den Kopf mit einer Riesenhand schützt, als wolle sie Böses abwehren. Lotte Leeschool baut in der Malerklasse Doig aus Styropor einen Sarg und bedeckt ihn mit violetter Gaze. Und Jonas Kohn (Gostner-Klasse) lockt in einen schmalen schwarzen Raum, in dem er sich wie im Polizeiverhör vorkommt, denn vom Nachbarraum wurde ein Loch durch das denkmalgeschützte Haus gebohrt.

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