Rheinoper: Aufmarsch im Plüsch-Salon

Regisseur Philipp Himmelmann versetzt Giuseppe Verdis Ägypten-Oper „Aida“ ins Nobelambiente der Gründerzeit.

Rheinoper: Aufmarsch im Plüsch-Salon
Foto: Matthias Jung

Sie spielt eigentlich im alten Ägypten, Giuseppe Verdis Oper „Aida“. Handlung und Dialoge legen diese Lesart auch nahe. Regisseur Philipp Himmelmann setzt sich, wie viele seiner Kollegen europaweit auch, über diese zeitliche und räumliche Verortung hinweg. Er erkor die Verdi-Epoche selbst zum Dreh- und Angelpunkt des Geschehens.

Die Idee, ein Stück, das ursprünglich in sagenhafter Vergangenheit angesiedelt ist, in seiner Entstehungszeit spielen zu lassen, ist rund 30 Jahre alt. Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki nannte diesen inszenatorischen Kunstgriff einmal „trivial“. Gewiss spricht immer etwas dafür, das Zeitgeschehen der Autoren-Epoche bei der Inszenierung zu berücksichtigen. Doch wenn ein Regisseur damit beginnt, nicht das Stück, sondern sein Hintergrundwissen zu inszenieren, kann es zu kontraproduktiven Kollisionen zwischen Text und Bild führen.

So geschehen nun auch in Himmelmanns Aida-Inszenierung. Aus den altägyptischen Hohepriestern werden katholische Kirchenfürsten mit christlichen Symbolen. In dieser Gewandung die ägyptische Gottheit Ptah zu preisen, macht einen etwas verirrten Eindruck. Auch die Einmauerung des als Verräter verurteilten Feldherrn Radames mag als krude Strafmaßnahme noch zum Altertum passen, im eleganten Gründerzeit-Salon mit Plüschsofas und Palmen wird diese Art der Exekution zur rechtsfreien Rache einer Gang — was überhaupt nicht zur Geschichte passt, in der sich ein entehrter Held der offiziellen Rechtssprechung beugt.

Der Zuschauer muss solche Ungereimtheiten über längere Strecken ignorieren — eine etwas ermüdende Aufgabe. Dann werden allenthalben schwarze Särge mit Lorbeerkranz-Ornamenten in den Salon getragen. Der Regisseur setzt damit einen belehrenden Kontrapunkt zur kriegerischen Euphorie im Königssaal. Plakativer geht es kaum.

Immerhin sieht die von Johannes Leiacker ausstaffierte Bühne schön dekoriert aus, auch die prachtvollen Jahrhundert-Wende-Kostüme von Gesine Völlm sind Hingucker und lassen die Figuren strahlen. Ebenfalls Himmelmanns lebendige Personenregie macht einiges wieder gut und tröstet über manche Unlogik hinweg. Anteil daran haben natürlich nicht zuletzt die Sänger, die vor allem darstellerisch punkten. Susan Maclean spielt die Königstochter Amneris mit viel Grandezza und ist der Partie auch stimmlich voll gewachsen.

Morenike Fadayomi macht als Aida eine größtenteils überzeugende Figur. Allerdings hatte sie am Premierenabend ein paar Schwierigkeiten mit hohen Tönen, vor allem wenn sie Piano gesungen werden müssen. Da wurde ihr Timbre zum Zerreißen dünn und etwas rau. Bei einer so populären Partie, die schon von so vielen legendären Sopranistinnen gesungen wurde, sind solche Schwächen doch sehr auffällig. Sergej Khomov schlägt sich als Radames wacker. Auch er überschüttet das Publikum nicht mit Belcanto, wirkt aber wie ein vornehmer Held. Rundum überzeugend: Boris Statsenko als Aidas Vater Amonasro. Er verleiht der Partie die nötige Härte und Unerbittlichkeit gegen seine Tochter.

Unter der Leitung von GMD Axel Kober musizieren die Düsseldorfer Symphoniker sehr vielschichtig: kraftvoll bei den großen Aufmärschen und klanglich subtil an den zarten Stellen, vor allem am Schluss, wenn Aida und Radames in der zugemauerten Todesgruft ihr letztes Duett singen. Besonderes Lob gebührt einmal mehr Chor und Extrachor der Rheinoper, die mit hoher Zuverlässigkeit die Massenszenen realisieren.

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