Projekt Sokrates: Die Philosophen aus dem Zoopark

Das „Forum Sokrates“ trifft sich seit drei Jahren in einem Café am Brehmplatz. Dort wird über verschiedene Fragen philosophiert.

Düsseldorf. „Sie müssen der Philosoph sein“, sagt der graumelierte Herr, der gerade mit Schwung die Tür zum Café aufgestoßen hat. Jost Guido Freese stutzt. „Sie sehen so philospohisch aus“, antwortet der Mann, noch bevor Freese ihm die Frage aller Fragen stellen kann: „Wieso?“ Und ein bisschen hat der Herr ja recht. Die schulterlangen grauen Haare hat Freese zurückgekämmt, schwarzes Hemd, schwarze Hose und selbstverständlich trägt er auch eine schwarze Brille. Freese könnte glatt als Existenzialist durchgehen, der sein Pariser Straßencafé gegen das im Zoopavillon getauscht hat.

Seit drei Jahren betreibt der studierte Philosoph hier das Philosophische Café. Denn Freese hat festgestellt, das Philosophie auch abschreckend wirkend kann. Zu kompliziert, zu viel Vorbildung vonnöten, denken viele. Deshalb hat er beschlossen, dahin zu gehen, wo die Menschen sind. „Sokrates ist auf die Marktplätze gegangen, ich gehe halt in die Cafés“, sagt er.

Im Séparée treffen sich vier Männer und vier Frauen. Ohne lange Vorrede geht es gleich zur Sache. Freese verzichtet auf den Expertenvortrag, die Gäste sollen selber entscheiden, worüber sie philosophieren wollen. Vorschläge werden gesammelt: „Brauchen wir Rituale“, fragt eine Frau. Ein Herr möchte über direkte Demokratie diskutieren. Ein anderer fragt, ob es nicht ehrlicher sei, das Weihnachtsfest in Konsumfest umzubenennen: „Die Japaner sind uns da weit voraus“, sagt er, „bei denen gibt es das Konsumfest bereits.“ Das Rennen macht aber eine ganz andere Frage: „Unterscheidet sich die Emanzipation der Frau von der des Mannes, und wenn ja, inwiefern? Und was ist das überhaupt, Emanzipation?

Bei Tee oder Capuccino lässt sich es ganz trefflich philosophieren. Dass draussen die Temperaturen im knackig-einstelligen Bereich liegen, lässt es drinnen gleich noch gemütlicher erscheinen. Trotzdem, eine jahreszeitliche Konjunktur für philosophische Fragen in der vermeintlich besinnlichen Adventszeit hat Freese nicht festgestellt.

Dafür geht es jetzt an den Tischen hoch her: „Ich wage zu behaupten,“ ruft der Eine, „Einspruch“ die Andere. Ein bisschen ist es wie in der Schule. Einige reden fast ständig, andere schweigen genauso häufig. Für Freese liegt die größte Schwierigkeit jetzt darin, das Tempo der verschiedenen Gedankengänge zu synchronisieren. „Wir gehen jetzt im Schneckentempo weiter“, interveniert er mit betont ruhiger Stimme. Langsamer gedacht ist oft tiefer gedacht. Eineinhalb Stunden sind rum, die Zeit war für ein abschließendes philosophisches Fazit viel zu kurz. Am Ende einigt man sich darauf: Emanzipation ist ein Prozess, der mit einer Frage beginnt, die hoffentlich zu einer Erkenntnis führt, die einem innere Freiheit gibt.

Das persönliche Fazit fällt da viel griffiger aus: „Es ist das pure Vergnügen, die reine Freude“, sagt eine regelmäßige Besucherin. „Sich selber zu hinterfragen, die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und mit anderen ganz fokussiert eine Frage zu beantworten, das hat man im Alltag einfach nicht.“

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