Premiere: Oscar und die Dame in Rosa - Dem Tod mit Witz begegnen

In der Komödie feiert Johanna von Koczian ihr Debüt bei „Oscar und die Dame in Rosa“. Ein Paradestück für die Schauspielerin.

Düsseldorf. "Küsschen. Bis morgen. Oscar", so unterschreibt der 10-jährige krebskranke Junge seine Briefe an Gott. Doch es sind Briefe eines Toten an einen Unsterblichen.

Denn Oscar hat längst die Welt verlassen. Es ist die Madame Rosa, die ehrenamtlich im Krankenhaus arbeitet und den kleinen Schreiber aus seinen Worten und Sätzen wieder auferstehen lässt. Eric-Emmanuel Schmitts Monolog "Oscar und die Dame in Rosa" ist ein Paradestück für eine wandlungsfähige Schauspielerin.

Und das zeigt Johanna von Koczian in der Komödie. Doch zunächst gelingt der berühmten Schauspielerin in Martin Woelffers Inszenierung etwas weit Wichtigeres, sie bewahrt Schmitts Text vor Sentimentalität und Kitsch.

Mit damenhafter Grazie betritt sie das kleine Kabinett, das mit Tisch, Stühlen und einem Sofa sparsam möbliert ist. Ein Warte- oder Besuchsraum, vor allem aber ein Raum zwischen Erinnerung und Gegenwart, dessen Wände mit geschriebenen Sätzen übersät sind (Ausstattung: Gabriella Ausonio).

Johanna von Koczian entnimmt einer Mappe einen Brief und wechselt zunächst bruchlos von Oscar zu Madame Rosa. Erst allmählich verleiht sie dem todkranken kleinen Klugscheißer Kontur, dem die Chemotherapie die Haare vom Kopf gefressen hat und der deshalb in der Klinik schlicht "Eierkopf" heißt. Nuanciert entwickelt sie diesen kleinen Charakterkopf mit seiner jungenhaften Neugier, Altklugkeit und Abgeklärtheit.

Als Kontrast setzt Johanna von Koczian den ruhigen, lapidaren Tonfall der Madame Rosa dagegen, die sich Oscar gegenüber als ehemalige Catcherin mit dem Kampfnamen "Würgerin vom Languedoc" ausgibt und dies durch Kraftausdrücke beglaubigt.

Eierkopf und Würgerin werden zum unzertrennlichen Paar, umso mehr als die einfühlsame Ratgeberin dem Jungen rät, jeden Tag seines kurzen Daseins als ein Lebensjahrzehnt zu begreifen und darüber mit Gott zu korrespondieren.

Und so durcheilt Oscar im Zeitraffer ein ganzes und am Ende erfülltes Leben. Mit feinen verbalen Duftnoten lässt Johanna von Koczian Schüchternheit, Zartheit und Vorwitz Oscars entstehen, wenn er der kranken Peggy Blue pubertär seine Liebe erklärt.

Mit einem kleinen Stuhlarrangement wird die Hochzeit angedeutet. In seinen 30ern rebelliert Oscar gegen Gott, Betty sorgt dann knutschwillig für eine Midlifecrisis in den 40ern.

So geht es mit jedem Brief in eine neue Dekade, bis schließlich zaghafte Lebensklugheit und eine Müdigkeit das höhere Alter instrumentieren. Johanna von Koczian zeigt eine eindrucksvolle Wandlungsfähigkeit von Kindlichkeit bis Altersweisheit und deutet an, dass bei allem lebensweisen Humor das Stück auch ein Wunschtraum einer einsamen Frau sein könnte. Ein feinfühliger Abend, der einem ernsten Thema mit viel ermutigendem Witz begegnet.

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