Premiere im Schauspielhaus: Regisseur erschafft große Bilder

Das Schauspielhaus führt „Die Brücke über die Drina“ von Ivo Andric auf.

Düsseldorf. Ivo Andric gehört zu den großen Erzählern des letzten Jahrhunderts. Mit einer dramatisierten Fassung seines Romans "Die Brücke über die Drina" erinnert das Düsseldorfer Schauspielhaus bei der Premier am Sonntagabend an ein packendes Werk, das nichts an Aktualität eingebüßt hat.

Miodrag Tabacki (Bühnenbild) teilt den Zuschauerraum in zwei Hälften und stellt in den Spalt eine gewaltige Brücke. Die Saaldecke reflektiert das Wasser der Drina, also jenes Flusses, welcher die Grenze zwischen Bosnien und Herzegowina und Serbien markiert.

Das Publikum sitzt inmitten eines Geschehens, das durch die wechselvolle Geschichte des Balkans führt. Im Zentrum: die Brücke, die Menschen, die sie erbauen, die sie überqueren, die mit ihr in der Grenzstadt Visegrad leben.

1571 wird die Brücke errichtet. Der ehrgeizige Erbauer, der türkische Wesir Abidaga (Rainer Galke), nutzt die Arbeiter anderer Ethnien gnadenlos aus, quält sie.

Welten prallen aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Muslime und Orthodoxe, Katholiken und Juden stehen sich misstrauisch gegenüber. Als der Bau sabotiert wird, lässt der Wesir einen Bauer pfählen und stellt dessen Leichnam auf der Brücke zur Schau.

Visegrad liegt am Rande Europas. Dort, wo sich bosnische, serbische, türkische und österreichischen Wertsysteme gefährlich überlappen. Die insgesamt sieben Spielszenen verdeutlichen eindrucksvoll, wie sich ständig die Machtverhältnisse ändern, das raue und hoffnungslose Leben der Menschen jedoch davon unberührt bleibt. Sie führen eine Existenz am Abgrund.

Da ist etwa Bauer Milan (Marian Kindermann), dessen Spielsucht ihn in die Fänge eines dämonischen Unbekannten (Thiemo Schwarz) treibt. Ein gespenstisches Duell. Die schöne Fatima (Lisa Arnold) wiederum soll einen Mann heiraten, den sie nicht liebt und wirft sich am Tage der Hochzeit in die Drina, um ihre Würde zu bewahren.

Regisseur Nikita Milojevic gelingt mit seiner Arbeit weit mehr als nur eine szenische Lesung. Die Geschichten der Menschen, die sich an Fluss und Monument entspinnen, fließen wie die Drina von Schauspielerstimme zu Schauspielerstimme. Milojevic erschafft bedrückende und große Bilder. Erschütternde Lebensverläufe sind spürbar. Ein Abend von literarischem Niveau.

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