Kunst : Politischer Protest als Kunstform
Die Sammlerin Julia Stoschek zeigt neue, kritische Videos aus verschiedenen Teilen der Welt. Auch ein Hit der venezianischen Biennale ist dabei.
Auf der Biennale in Venedig war „Factory of the Sun“ 2015 der Hit im Deutschen Pavillon. Nun kommt das Video der Deutsch-Japanerin Hito Steyerl in die Schanzenstraße 54. Julia Stoschek besitzt das animierte Spiel um virtuelle Realitäten und den Tanz der Menschen mit den Avataren. Sie hat das Werk schon für Venedig gefördert. Neuartige Frequenzen, asynchrone Beats, Drohnen, oszillierende Bilder zwischen den verschiedenen Virtualitäten spielen für Steyerl eine große Rolle. Aber die Sammlerin Stoschek zeigt nicht nur ein futuristisches Spektakel, sondern auch neue, junge, aktuelle Arbeiten.
Dieses Programm, das unter dem Titel „Verpasste Verbindungen“ läuft, ist spannend, denn hier geht es nicht um globale Szenerien und Effekte, sondern um den kritischen Blick von Künstlern aus verschiedenen Ethnien auf den Neoliberalismus, die Wirtschaftsideologie, das Profit-Denken und die Konflikte der Minderheiten. Die Auswahl traf Jennifer Chan, die selbst Künstlerin ist und sich auskennt in den sozialen Netzen zu den Themen Sex, Erfolg, Liebe, Leiden und Glück. Sie lernte die Künstler meist über das Internet kennen. Alle Werke sind politisch. Sie kritisieren den europäischen Blick auf alles, was außerhalb ihres Gesichtskreises liegt.
(Ein Einkanal-Video der Künstlerin Sondra Perry, „Netherrrrrr“, 2016. Foto: Julia Stoschek Collection)
Wer den ersten Ausstellungsraum betritt, schaut zunächst einmal geradeaus auf die flimmernden Video-Wände. Dabei erschrickt er aber beinahe, weil seine Füße eine fiese, olle, graue Auslegware streifen. Der Text unter den Füßen reißt den Besucher aus dem lässigen Umgang mit der Kunst. „Nur Gott kann mich richten“, steht dort geschrieben, ein irritierender Satz im Reich der vielen Bosse.
Das Programm dieser Ausstellung Nummer 13 läuft neben der sonst üblichen Spur. Immer spielt das Leid des Fremden eine Rolle. Die wichtigste, weil einleuchtendste Arbeit stammt von Sondra Perry. Zwei weiß gekleidete Tänzer bewegen sich in einem rasanten Wirbel vor weißen Wänden. Sie sollen von einem Computer-Erfassungsprogramm gefilmt werden, das ihre weißen Körper vor den weißen Wänden jedoch nicht festhalten kann. Zu sehen sind daher nur die schwarzen Rastalocken, die sich den Afro-Amerikanern zuordnen lassen. Es ist der europäische Blick auf das Schwarz-Sein, der hier symbolisch zum Ausdruck gebracht wird.