Peter Kraus: Gefühl und Temperament

Das Konzert von Peter Kraus lockte rund 2000 Besucher in die Philipshalle. Ein Abend voller Posen, Rock ’n’ Roll und einer waschechten Big Band.

Düsseldorf. Am Ende steht Peter Siegfried Krausnecker breitbeinig auf dem Klavier, reißt die Arme zur Musik in die Höhe und setzt den effektvollen Schlußstein in die lange Kette an Rock ’n’ Roll-Posen, die er in den vergangenen 90 Minuten in der Philipshalle vorgeführt hat. Ganz so, wie er es ja bereits seit über 50 Jahren zu tun pflegt.

Eingeleitet von der damals aktuellen Werbung für Pfannenknödel und dunkle Schokolade, inszeniert sich der 70-jährige Peter Kraus vor rund 2000 Besuchern unter dem Titel "1000 Takte schräge Musik" in Jeans, weißem Hemd und Turnschuhen sowie umgehängter Gretsch-Halbakustikgitarre als gerade mal 18-Jähriger, der im Jahre 1957 einen Auftritt im fiktiven Lichtspieltheater Tivoli absolviert.

Das Konzert ist also nichts anderes als eine schmachtende Revue auf diese vergangene Zeit. Zu den eingedeutschten Titeln wie "Tutti Frutti", "Susi Rock", "Teddy Bär", "Mit 17" und natürlich "Sugar Baby" gibt Kraus den ewigen Backfisch und "Schluckauf-Sänger", zu dem seine sechsköpfige Begleitband, die "Rockies", authentische Musik ohne jeden Fehl und Tadel abliefert.

Das ist kein Wunder, hatte doch ihr Gitarrist und 50er-Liebhaber André Tolba schon Schmusesänger Sasha als Dick Brave & the Backbeats erfolgreich in den Petticoat geholfen. Mit halbherzigen Scherzen zwischen den Liedern versucht Peter Kraus mit mäßigem Erfolg, den Abend nicht sofort ins allzu peinlich Nostalgische abgleiten zu lassen.

Doch just als man sich verschämt abwenden und Herrn Kraus lauthals doch bitte den Rückzug in die ehrwürdige Rolle als stiller, weiser Gründungsvater des deutschen Rock’n’Rolls empfehlen möchte, überrascht der halbstarke Senior mit einem glanzvollen Showeffekt, der den Abend nochmal retten soll.

Zu den ersten Takten von "Tequila" verschwindet Kraus hinter der Bühne, und ein großer Vorhang öffnet den Blick auf weitere sechs Musiker, die die Rockies in eine waschechte Big Band, inklusive Perkussionist und komplettem Bläsersatz, verwandeln. Großes Kino, das der Saal mit entsprechender Anerkennung quittiert.

Peter Kraus kehrt im silbern schimmernden Seidenanzug zurück und lässt den provinziellen Teenie zugunsten des lässigen Las-Vegas-Crooners zurück.

Den Großteil des Abends widmet er sich dann der Präsentation seiner aktuellen CD "Nimm Dir Zeit", aus der er neben dem Titelsong noch einige weitere folgen lässt: "Ich bin doch nur ein Mann", "Verzeih mir", "Ich hab mich so an dich gewöhnt" sowie dem Queen-Klassiker "Crazy Little Thing Called Love", der bei Peter Kraus "Ich werd noch verrückt mit dir" heißt.

Abgesehen von den Posen, die man nicht ganz ohne Angst um Hüftgelenk und Bandscheibe betrachtet, ist Kraus durchaus gut bei Stimme, er wirkt keineswegs müde oder bemüht um hohe Töne.

Seine Phrasierungen sitzen, der Gesang ist kraftvoll, wenn auch nicht so mitreißend wie der der englischen Originale. Nach zwei Zugaben geht der Abend unterm Strich mit einem Unentschieden zwischen Sentiment und Temperament zu Ende.

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