Düsseldorf "Otello" in der Rheinoper: Eifersucht in der „Dunkelkammer“

Michael Thalheimer inszeniert Giuseppe Verdis Spätwerk „Otello“ auf einer schwarzen Bühne in der Rheinoper.

Düsseldorf: "Otello" in der Rheinoper: Eifersucht in der „Dunkelkammer“
Foto: Hans Jörg Michel

Düsseldorf. Die Bühne ist schwarz, die Beleuchtung sparsam in Michael Thalheimers Inszenierung von Giuseppe Verdis Oper „Otello“. Der formidabel singende Opernchor kauert während der einleitenden Gewittersturm-Szene im Finstern und wird nur für Sekundenbruchteile im Flackerlicht zuckender Blitze sichtbar. Das erinnert an schwarz-weiße Gruselromantik aus den Kindertagen des Kinos.

Während aller vier Akte der Shakespeare-Oper bleibt die Ausstattung (Bühne: Henrik Ahr) karg und düster. Nur die Hauptfiguren phosphoreszieren in weißen Scheinwerferkegeln. Diese Monotonie birgt die Gefahr der Ermüdung, da visuell einfach wenig passiert, doch sie bietet andererseits Voraussetzungen für sehr konzentrierte Momente. Die seelische Einsamkeit, in der die Protagonisten trotz allerlei Gesellschaft befinden, kommt hier klar zum Ausdruck. Und wenn, wie ganz zum Schluss, denn doch ein Lichteffekt die Bühne bereichert, hat dieser eine umso stärkere Wirkung.

Thalheimer erzählt das venezianische Eifersuchtsdrama mit deutlicher Bildsprache und recht lebendiger Personenregie. Dass Otello eine schwarze Maske trägt zur Kennzeichnung der Dunkelhäutigkeit des „Mohrs von Venedig“ wirkt leider etwas komisch, welch tiefenpsychologische Dimension auch immer hinter dem Masken-Motiv verborgen sein mag

Stark in den Fokus rückt Thalheimer derweil die Figur des Jago durch praktisch permanente Präsenz. In dieser Inszenierung erscheint der böse Einflüsterer mithin ganz besonders als allgegenwärtiger Dämon, der vollständig Besitz ergreift von Otellos Gedanken und sozusagen zu dessen Alter-ego aufsteigt. So wandelt sich eine Figur vom Akteur zum personifizierten Schicksal der Gesellschaft.

Bei all dem kommt die Dramatik allerdings etwas zu kurz. Ausgleich schafft wiederum die Musik mit Hilfe teils beachtlicher Gesangs- und Orchesterleistungen. Sopranistin Jacquelyn Wagner verkörpert eine ungemein reine Desdemona. Beinahe ist sie ein Abziehbild der naiven wie ergebenen Ehefrau, was durchaus auch zur Figur der Otello-Gattin passt, die nicht merkt, dass ihr unausgesetztes Bitten um Gnade für den degradierten Offizier Cassio die Eifersucht ihres Mannes schürt. Jacquelyn Wagner hatte vor einem Jahr bereits als Arabella (Strauss) mit ihrer glänzenden Stimme und die Feinheit des Vortrags für Entzücken gesorgt. Und jetzt bei Verdi erweist sie sich einmal mehr als vokale wie visuelle Top-Besetzung.

Exzellent besetzt ist auch die Rolle des Cassio durch den jungen Tenor Ovidiu Purcel mit viel lyrischem Schmelz in der Stimme. Bariton Boris Statsenko gehört mittlerweile zu den Jokern des Ensembles, als eine Karte sozusagen, die immer passt. Statsenko kann dank seiner Wandlungsfähigkeit komische Figuren, Könige und Finsterlinge überzeugend darstellen. Jetzt spielt er den Jago plastisch in all seiner Abgründigkeit, auch stimmlich ist er der Partie voll gewachsen. Die schwerste und körperlich anstrengendste Partie des Stücks ist fraglos die des Otello. Hierfür muss ein starker Heldentenor herbei. Mit Zoran Todorovich wurde ein stimmkräftiger Sänger gefunden, der allerdings nicht unbedingt durch vokale Schönheit auffällt. Als Otello tritt er zwar markant in Erscheinung, wirkt aber in hohen Lagen etwas angespannt. Mancher Ton klingt daher vor allem in der ersten Stückhälfte fahl und eingetrübt. Nach der Pause fängt sich der Sänger jedoch und zeigt Expressivität insbesondere in der tragischen Schlussszene.

Die Düsseldorfer Symphoniker sind eigentlich das perfekte Wagner-Orchester. Da aber Verdis Spätwerk „Otello“ in Dramatik und Klangregie an den deutschen Romantiker erinnert, erweisen sie sich auch als passender Klangkörper für dieses Werk. Generalmusikdirektor Axel Kober arbeitet sowohl Furor als auch Zartheit der Partitur plastisch heraus.

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