One Direction: Der Grund, weshalb Klassik nie eine Chance haben wird

45 000 Teenager wollten ihre Lieblinge in der Arena sehen. Um Musik ging es nicht.

45 000 kreischende Mädchen füllten die Esprit-Arena. Unter ihnen ein paar Eltern, die im Nachhinein vielleicht doch lieber draußen gewartet hätten.

45 000 kreischende Mädchen füllten die Esprit-Arena. Unter ihnen ein paar Eltern, die im Nachhinein vielleicht doch lieber draußen gewartet hätten.

Foto: David Young

Düsseldorf. Harry könnte auch husten oder rülpsen — es machte keinen Unterschied. Bei allem, was er tut, würden ihm diese 45 000 Teenager zujubeln. Oder vielmehr: zukreischen. Aber es sind nicht nur Teenager am Mittwochabend in der Esprit-Arena, sondern auch Eltern. Ein paar zumindest. Einige von ihnen betreuen Gruppen von zehn bis fünfzehn Jugendlichen.

Und während sich diese in ein Paralleluniversum singen und schreien, schauen die meisten Erwachsenen nur — es sei denn, sie holen gerade Cola oder Popcorn für den Kohlenhydrathaushalt der Jugend. Manche von ihnen schauen belustigt. Manche verwirrt. Manche erschüttert. Harry singt „Kiss me“.

One Direction sorgt für "Kreischalarm"
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Es ist ein knapp zweistündiges Spektakel der Pop-Naturgewalten, das da grollt und rauscht und dröhnt. Motörhead und Manowar als lauteste Bands der Welt? Ach was: Nach 120 Minuten One Direction klingeln die Ohren mal richtig. Und es ist nicht die Musik, die sie klingeln lässt. Die ist nichts anderes als Nullachtfünfzehn-Formatradio-Pop mit einer Prise Revoluzzerhauch-Rock und auswendig gelernten Schmeichel-Ansagen zwischendurch. Musik, die musikalisch niemanden sozialisiert, sondern den Motor der Sozialisation nur anschmeißt, ehe er im Laufe der Jahre bei jedem in eine andere Richtung knattern wird.

Nein: Es ist die Gewalt der durch Begeisterung entfachten Lautstärke. Sie zeigt, warum Klassik bei diesen jungen Menschen nie eine Chance haben wird. Und sie geht so weit, dass aus der Miene des einen oder anderen Elternteiles der Wunsch spricht: Seid doch bitte mal kurz leise, damit ich hören kann, von was die da gerade singen.

Dem Wunsch wird nicht entsprochen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Ergeben und mitkreischen. Oder das Spektakel betrachten: Natürlich kippen Mädchen um und werden, von Weinkrämpfen geschüttelt, von Sanitätern versorgt. Das Gedränge in den ersten Reihen ist enorm, fast beängstigend: Erst kürzlich in Peru mussten One Direction ein Konzert unterbrechen, weil Dutzende Fans im Gequetsche verletzt worden waren. Und das Gequetsche wird größer bei jedem Ausfall-Lauf der Bandmitglieder Harry, Niall, Zayn, Liam und Louis raus auf den blinkenden Steg — weil die Fans einfach mit rennen.

Nur die auf den Tribünen und weiter hinten springen und tanzen und hüpfen in One-Direction-Fahnen gehüllt, die Arme und Beine und Gesichter mit den Namen der fünf Iren bemalt. Und dann sind da die Plakate, die hoch gehalten werden. Es sind unzählige. Sie fordern „Küss mich“, „Knuddel mich“, „Heirate mich“ oder Schlimmeres. Und sie werden nur beiseitegelegt, wenn die Teenager-Hände wie auf ein geheimes Kommando hin Herzchen formen. Wohin die fliegen ist klar. Da gibt es nur eine Richtung. One Direction. „Better than words“.

Draußen, vor der Arena, warten derweil hinterm rot-weißen Absperrband schon längst jene Eltern, die nicht mit drin waren. Sie wissen: Einmal noch die „Story of my life“ und den „Best song ever“ — dann gehören unsere Kinder wieder uns.

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