Spielzeit 2020/21 Wie das Junge Schauspiel weitermachen möchte

Düsseldorf · Rund 70 Prozent der Zuschauer kamen bislang durch Schulen ins Haus. Nun überlegt das Theater, wie man sich auf die neuen Gegebenheiten einstellen kann. Das neue Programm ist bunt gemischt.

 „Das Gewicht der Ameisen“ von David Paquet ist als erste Premiere der neuen Spielzeit geplant.

„Das Gewicht der Ameisen“ von David Paquet ist als erste Premiere der neuen Spielzeit geplant.

Foto: Thomas Rabsch

Für das Junge Schauspiel heißt es noch mehr „Alles auf Anfang“ als für die meisten anderen Kultureinrichtungen. Gut 70 Prozent der Zuschauer kamen bisher durch die Schulen ins Haus. Nun muss das Theater schauen, ob und wie dies möglich ist, und die Leiter und Lehrer gewinnen, sich auf diese neue Herausforderung einzulassen. Zugleich hat sich der Auftrag des Jungen Schauspiels noch verstärkt: den jungen Besuchern Gedanken und Antworten zu der sehr komplexen Welt zu geben, in der sie leben. In der Spielzeit, die Anfang September beginnen soll, möchte das Haus dies mit den folgenden neuen Stücken schaffen:

Das Gewicht der Ameisen (ab 12 Jahren, Münsterstraße 446, Premiere am 6. September) Die deutsche Erstaufführung des kanadischen Stücks war für das Festival „Theater der Welt“ vorgesehen. Das Festival ist auf 2021 verschoben, die Erstaufführung behält dagegen die Jahreszahl 2020. „Das Gewicht der Ameisen“ erzählt von Jeanne, Olivier und ihrer Schule. Mit der ist es soweit bergab gegangen, dass es Shampoo-Werbung auf den Toiletten gibt. Das regt Jeanne so auf wie Olivier wegen des Klimawandels besorgt ist und sich nicht gehört fühlt. Die beiden lassen sich überzeugen, als Schülersprecher zu kandidieren. Dann taucht im Wahlkampf Max auf, dessen Eltern zu den Spitzensteuerzahlern gehören und der sein Wahlprogramm deshalb auf einen Punkt konzentrieren kann: Pizza für alle.

Rausch (ab 15 Jahren, Münsterstraße 446, Premiere am 19. September) Das neue Stück des belgischen Regisseurs und Choreographen Gregory Caers war schon vor Corona geplant, gewinnt durch Corona und die damit verbundenen Grenzen noch eine weitere Dimension. Caers beschäftigt sich, der Titel lässt es ahnen, mit der Frage, warum junge Menschen den Kontrollverlust suchen. Dafür hat er ein schönes Symbol geschaffen. Seine Schauspieler und Tänzer agieren in einem Labyrinth, das gläsern ist und Blick frei gibt auf eine Welt des Lichts und der Ekstase. Für Caers ist es die vierte Arbeit in Düsseldorf, nach „Odyssee“, „Obisike – Das Herz einer Löwin“ und „Das geheime Haus“.

Liebe Kitty (ab 10 Jahren, Münsterstraße 446, Premiere am 7. November) Besonderer Stoff, besondere Partner — mit Unterstützung des Anne-Frank-Zentrums und des Anne-Frank-Hauses inszeniert Regisseur Jan Gehler das Romanfragment von Anne Frank. Die junge Autorin hatte in den letzten Monaten, bevor ihre Familie in ihrem Versteck entdeckt wurde, angefangen die Notizen, die sie für ihr Tagebuch gemacht hatte, zu einem Roman umzuarbeiten. Dabei richtete sie das Werk an ihre erfundene Freundin Kitty. Im vergangenen Jahr ist das Fragment erstmals eigenständig erschienen, in Düsseldorf soll es die Uraufführung des Stoffs geben.

A Christmas Carol (ab 6 Jahren, im Central an der Worringer Straße 140, Premiere am 15. November) Die Macher des Jungen Schauspiels haben lange überlegt, ob sie dieses Jahr ein Weihnachtsstück auf ihren Spielplan nehmen und sich schließlich dafür entschieden, um ein Zeichen der Hoffnung zu setzen. Sie haben dafür den klassischsten aller klassischen Stoffe der Jahreszeit ausgewählt, Charles Dickens’ „A Christmas Carol“. Die Stücke der vergangenen Weihnachten haben gezeigt, dass in Düsseldorf aus vertrauten Stoffen starke Inszenierungen werden, dafür spricht in diesem Jahr zusätzlich die Regisseurin. Mina Salehpour hat hier „Paradies“ inszeniert.

Der überaus starke Willibald (ab 6 Jahren, Münsterstraße 446, Premiere: 2021) So vorsichtig, wie das Schauspielhaus von einem Spielplan-Entwurf spricht, so zurückhaltend ist es mit Blick auf das nächste Jahr. Eines der möglichen neuen Stücke basiert auf einem Kinderbuch von Willi Fährmann. Der niederrheinische Autor hat in „Der überaus starke Willibald“ eine kluge Form gefunden, Kindern Diktatur im Allgemeinen und die nationalsozialistische Herrschaft im besonderen zu erläutern. Die titelgebende Figur ist eine Maus, die die Angst vor einer Katze ausnutzt, um die Macht über ein Mäuserudel zu übernehmen und kritische Mäuse kalt zu stellen.

Don Giovanni (ab 12 Jahren, Münsterstraße 446, Premiere: 2021) Den zweiten Teil der zurückhaltenden Vorschau auf 2021 bildet die deutsche Erstaufführung einer Interpretation eines vielfach verwendeten Stoffes. Die Schweden Jens Ohlin und Hannes Meidal haben sich in ihrem dramatischen Schaffen immer wieder mit Klassikern auseinander gesetzt, mit Hamlet, mit Faust und eben mit Don Giovanni, wie der Don Juan bei Mozart heißt. Hierzulande sind die beiden noch wenig bekannt, das könnte und sollte sich im nächsten Jahr mit „Don Giovanni“ ändern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort