„Multikulti ist keine Vision mehr“

Kabawil e. V. nutzt Theater und Tanz, um mit jungen Einwanderern zu arbeiten. Zum Zehnjährigen gibt es ein neues Stück.

Düsseldorf. Theater, Musik und Tanz kann politisch sein. Muss sogar, zumindest für Petra Kron. So beziehen fast alle Jugend-Projekte der studierten Kulturanthropologin Stellung.

Gegen versteckte Fremdenfeindlichkeit und offenen Rassismus, wie mit dem Stück „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ Oder sie machen aufmerksam auf Probleme wie Jugend-Arbeitslosigkeit, Hartz IV oder auf Gefahren der virtuellen Welten für die Psyche von Heranwachsenden.

Seit zehn Jahren legen Kron und ihre Mitstreiter, die 2003 den Verein Kabawil gründeten, den Finger in die Wunde unserer Zuwanderungs-Gesellschaft. Die Mitwirkenden — zumindest ihre Vorfahren — kommen aus aller Herren Länder, häufig aus Afrika. Manche Jungen und Mädchen sind in Deutschland geboren, einige Familien kommen aus Ghana, wo Kron ein Jahr lang als Dozentin lehrte, und leben bereits in zweiter oder dritter Generation am Rhein.

Ihre Spielweise und künstlerischen Talente beweisen, so Kron, wie sich die „Einflüsse aus Afrika und Europa vermischen und zu einer eigenen Ästhetik führen“. Zu sehen auch im Jubiläums-Jahr.

Denn „Kabawil“ (mit Sitz auf der Flurstraße in Flingern) — benannt nach einem Vogel mit zwei Gesichtern aus Mittelamerika — stellt sein neues Werk vor: „Simulacra“, das Kron und der deutsch-ägyptische Schauspieler Oliver El Fayoumi ab 13. Dezember auf die Bühne des FFT, Kasernenstraße, hieven, mit 19 Tänzern und Schauspielern, von 15 bis 25 Jahren. Die meisten Namen, ist Kron überzeugt, verraten, wie bei El Fayoumi oder bei der Autorin des Stücks, Angela Kamara, dass das reichlich abgenutzte Wort Multikulti keine Vision mehr sei, sondern längst gesellschaftlich akzeptierte Realität.

„Simulacra“ aber spielt in der Zukunft, im Jahre 2222. In einer Zeit, in der Geschlechterrollen und tradierte Familienstrukturen überholt sind. Ob Männlein oder Weiblein, jeder könne dann, so die Botschaft, seine Persönlichkeit ausleben. In diese Welt, in der Kinder aus Brutkästen hervorschlüpfen, landet, per Zeitmaschine, eine Familie aus dem Jahr 1958. Damals, als die Rollen noch klar definiert waren.

„Brückenbauerin“ Petra Kron und ihr Team (darunter Tänzer und Tanzdozent Othello Johns) stoßen mit ihren originellen Kultur-Projekten, von denen einige europaweit mit Preisen dekoriert wurden, auf große Resonanz — auch in Schulen oder sozialen Organisationen. So kooperieren sie mit Förder-, Hauptschulen oder Gymnasien, arbeiten mit jungen Erwachsenen, die aus der Schullaufbahn herausgeflogen oder sogar straffällig geworden sind und im Gefängnis landeten. Sie gehen mit ihnen ins Tanzhaus, ins Zakk oder zum Düsseldorf Festival.

Und wie finanziert der von sieben Mitgliedern geführte Verein Projekte zwischen Ghana und Düsseldorf? Er erhält Zuschüsse von Stadt, Stiftungen und Privatpersonen für Einzel-Projekte. Das bedeutet, für jede Aktivität sind Förderanträge zu stellen. Ohne die regelmäßige Hilfe einer Spenderin hätten sie die Arbeit längst einstellen müssen, sagt Kron. Allerdings: Die Stadt stellt ihnen Studio und Probenraum an der Flurstraße 11 zur Verfügung.

Das schönste Erlebnis in zehn Jahren? Zwei Darsteller des ersten Kabawil-Stücks „Hungry feet“ (hungrige Füße), die 2003 zwölf Jahre alt waren, stehen als 22-Jährige auch bei „Simulacra“ auf den Brettern. Sie sind eine Familie geworden, meint Kron. Gefeiert wird nicht nur bei der Premiere am 13. Dezember, sondern auch am Wochenende im Studio an der Flurstraße. Es kocht der Maler und Bildhauer Heribert Münch, ein „Kabawilaner“ der ersten Stunde.

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