Mozarts „Don Giovanni“: Verführung wird zum großen Rätsel

Premiere von Mozarts „Don Giovanni“ im Duisburger Haus der Rheinoper.

Düsseldorf/Duisburg. Allein in Spanien soll er 1003 Frauen rumgekriegt haben, der berühmte Don Juan. Kaum zu glauben, vor allem bei Betrachtung der Neuinszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts „Don Giovanni“ durch die Regisseurin Karoline Gruber an der Deutschen Oper am Rhein.

Den adretten litauischen Bariton Laimonas Pautienius, der die Titelpartie innehat, verwandelt sie in einen düsteren Gesellen in schwarzen Satin-Klamotten (Kostüme: Mechthild Seipel). Halbseiden wirkt die Erscheinung, und das soll vermutlich auch so sein. Warum die Damen aber nun diesem Lebemann von der Außenwirkung eines lüsternen Nachtclubbetreibers entzückt nachlaufen, hat etwas Rätselhaftes.

Im Unterfangen, an Don Giovannis erotischer Grandezza zu kratzen, scheint auch hier ein unwillkürlicher Groll auf außergewöhnliche Verführungskunst mitzuschwingen. In der Tat ist der Titelheld ein böser Bube, ja ein Mörder, der bis zum bitteren Ende nicht in der Lage ist, Reue zu zeigen. Dass er von seinem steinernen Gast, dem Denkmal des von ihm getöteten Komturs, in die Hölle geschickt wird, birgt unterdessen Mystik.

Dafür gestattet die Regisseurin allerhand schönen Budenzauber (Bühne: Roy Spahn). Der Komtur (stimmlich voluminös: Roman Polisadov) erscheint inmitten einer weißen Rauchwolke im grotesk aufwändigen Kardinalsornat mit bleichem, zur Hälfte verwundetem Gesicht. Er steht für die gleichermaßen bigotte wie geschundene Gegenwelt des Don Giovanni.

Karoline Gruber klotzt generell mit visuellen Reizen, Symbolen und Gleichnissen. Sie nutzt die bizarre Bilderwelt der Rocky-Horror-Show, lässt Arnold Böcklins Gemälde „Odysseus und Kalypso“ in mehrfacher Ausführung hereinfahren und bedient sich der Statisterie, um Don Giovannis verflossene Damen als leichenblasse Tüll-Gestalten umhergeistern zu lassen. Das sind zwar alles respektable Denkanstöße, doch gibt es dabei ein Manko: Frau Gruber inszeniert hauptsächlich ihren Kommentar, weniger das Stück selbst. Das verwirrt mehr, als es die Handlung erhellt.

Sängerisch erlebt man Höhen und Tiefen: Überragend singt die russische Sopranistin Olesya Golovneva die ungemein schwere Partie der Donna Anna, stimmlich luxuriös ausgestattet und mit brillanter Koloraturtechnik. Dagegen fällt Nataliya Kovalova als Donna Elvira trotz quirliger Darstellung leider ab und zeigt zuweilen Intonationsschwierigkeiten.

Luftig und voller Esprit: Alma Sadé als jugendlich lyrische Zerlina. Darstellerisch und stimmlich eine echte Entdeckung: der junge Bariton Adam Palka als geschundener Diener Leporello. Tenor Corby Welch singt den Don Ottavio mit schöner weicher Stimme, besitzt aber für die nicht unvirtuose Partie zu wenig Flexibilität.

Unter der Leitung des erfahrenen Operndirigenten Friedemann Layer musizieren die Duisburger Philharmoniker zugleich kraftvoll und differenziert, nicht gerade klanglich schlank, aber klar strukturiert und am Schluss packend dramatisch.

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