Düsseldorf Mordsgaudi und tiefes Unbehagen

Das satirische Stück „Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“ von Theresia Walser über die Darstellung von Hitler ist jetzt in Düsseldorf im Kleinen Haus zu sehen.

Heinsam Abbas, Jonas Gruber, Amdreas Helgi Schmid.

Heinsam Abbas, Jonas Gruber, Amdreas Helgi Schmid.

Foto: Sebastian Hoppe

Düsseldorf. Drei Mal Hitler — in goldgelber Paradeuniform, mit Oberlippen-Bärtchen, Militärkappe, Hakenkreuz-Armbinde und braunen Stiefeln. Beine übereinander geschlagen. Aus dem Lautsprecher ertönt Liszts martialische „Les Préludes“, Einleitungsmelodie für NS-Propaganda-Nachrichten vom Oberkommando der Wehrmacht.

Drei Schauspieler thronen in schweren Ledersofas auf einem wankenden Podest, eingerahmt von Hunderten von leeren Mineralwasser-Blechdosen. Und sinnieren darüber, von wem, ob und wie der Diktator und Massenmörder auf Bühne oder Leinwand dargestellt werden kann. Um diese Frage kreist das satirische Konversationsstück „Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“ von Theresia Walser, das neun Jahre nach der Uraufführung in Mannheim nun auch in Düsseldorf, im Kleinen Haus, zu sehen ist.

Die Zeit für Parodie und Komik über Hitler ist reif — überreif: elf Jahre nach dem „Untergang“-Film von Eichinger und Hirschbiegel. Und in diesen Wochen, in denen der Streifen „Er ist wieder da“ Kinokassen klingeln lässt. Letzteres wünscht man auch der pointierten Inszenierung von Marcus Lobbes und Ausstatterin Pia Maria Mackert, die nach der Premiere mit Jubel belohnt wurden — ebenso wie die Darsteller Jonas Grüber (Hitler 1), Heisam Abbas (Hitler 2) und Andreas Helgi-Schmid, der bisher nur als Goebbels im Film auftreten durfte. Es sind Schauspieler, die auf wankendem Bühnendeck zwischen blechern rollenden Dosen immer sicherer und in 70 Minuten immer schlagfertiger werden. Sie halten stets die Balance zwischen Komödie und Tragödie und servieren dem Zuschauer beides: Mordsgaudi und nachdenkliches Unbehagen.

Brillant, flott und beißend ironisch geschrieben ist der Sketch aus der Feder der Tochter des Autors Martin Walser. Es geht um die Schwierigkeit für Schauspieler von Rang, die Gestalt Hitlers anzunehmen, ohne daran Schaden zu nehmen. Für Ruf und Karriere.

Das Stück führt in ein TV-Studio, in dem drei Mimen in Hitler-Montur sich kurz vor der Sendung vorbereiten und rhetorisch warmlaufen wollen. Und sich fragen, wer unter welchen Bedingungen „Hitlertauglich“ sei und damit den „Führer“-Schein erhalte. Klar, dass sich in die gedrechselten Wortspiele auch manche Kalauer einschleichen. In Eichingers „Untergang“, der 2004 international eine leidenschaftliche Feuilleton-Debatte in Gang setzte — darüber, ob Hitler in einem Film überhaupt menschlich sympathische Züge dürfe —, mimte Bruno Ganz den Führer im Bunker.

So diente er vermutlich als Vorlage für „H(itler) 1“. So echt kam der Schweizer Groß-Mime einst über die Leinwand, behauptet Theresia Walser, dass sich später viele von ihm gar „Hitlers Tischreden“ signieren ließen. Auf Zu- und Überspitzung der Realität setzen Autorin, Regieteam und Schauspieler, lassen Pointen im richtigen Augenblick zünden und haben Lacher stets auf ihrer Seite. Auch in den Passagen, in denen es eher um Schauspielerei an sich geht. Schonungslos und mit Häme entlarvt sie Eitelkeiten und peinliches Star-Gehabe von Regie-Urgesteinen wie Peter Stein, der sich hinter der erwähnten Figur Dieter Fels verbirgt. Ebenso zieht sie die alte Leier der betagten Mimen-Garde durch den Kakao: „Lernen Sie erst mal richtig sprechen!“ faucht ‚Hitler 1’, alias Gruber, in Richtung des jugendlich wirkenden ‚G’(oebbels), alias Helgi-Schmidt. Als gut eingespieltes Team kommen die drei Schauspieler über die Rampe, liefern manche Spott-Pointen so nebenbei.

Fazit: Ein überwiegend amüsanter Kabarett-Theater-Abend mit reichlich doppelbödigem Humor. Nach von Schirachs „Terror“ nun der zweite Knüller.

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