Interview „Momentum“: Dem Chaos ins Auge geblickt

Düsseldorf · Interview Roger Vontobel inszeniert Lot Vekemans neues Stück „Momentum“. Darin geht es um Macht und Ohnmacht in der Politik. 

Jana Schulz und Christian Erdmann in Lot Vekemans „Momentum“.

Jana Schulz und Christian Erdmann in Lot Vekemans „Momentum“.

Foto: Thomas Rabsch

In Lot Vekemans neuem Stück „MOMENTUM“ geht es um ein Politiker-Ehepaar. Meinrad ist Parteivorsitzender und Ministerpräsident eines westlichen Staates. Auf dem Gipfel der Macht droht er zusammenzubrechen. Seine Frau Ebba Hofmann hat ihn Jahrzehntelang unterstützt, sich für ihn aufgeopfert. Und greift jetzt selber zur Macht. Das Drama, mit dem die niederländische Autorin Vekemans beispielhaft die Mechanismen in den Machtzentralen Westeuropas im Visier hat, feiert Uraufführung am 12. Oktober im Central/Hauptbahnhof - in der Inszenierung von Roger Vontobel. Der 41jährige Hausregisseur stellt sich nach einer Probe den Fragen unserer Zeitung.

Roger Vontobel.

Roger Vontobel.

Foto: Thomas Rabsch

Worum geht es genau in „Momentum“?

Roger Vontobel: Lot Vekemans deckt in ihrer eigenen, direkten Art menschliche und gesellschaftliche Missstände auf. Sie blickt dem Chaos ins Auge.

Warum denn Chaos?

Vontobel: Im Prinzip arbeitet die Politik-Elite, wie wir alle, immer schneller, werden immer produktiver, immer effizienter. Dabei rasen wir in eine Richtung, aber niemand weiß wohin. Deshalb gerät in dem Stück der Spitzenpolitiker Meinrad in eine Krise, wird depressiv. Darin zeigt sich die Ratlosigkeit der Staatsspitze, die zu Politik-Verdrossenheit führt.

Da liegt eine Parallele auf der Hand, oder?

Vontobel: Ja, wir kennen das auch aus Deutschland. Man könnte meinen, auch hier gerät die Staatslenkerin in eine Depression, kann nicht losbrüllen, wenn sie neben Herrn Erdogan sitzt, sondern muss stets die Form wahren. Wie viele, die, als sie an diesen Spitzenpositionen kamen, Ideale hatten, müssen sie dabei zuschauen, dass ihre Ideal immer mehr verwässern. Sie wollten die Welt verändern, wie damals Obama, und stellen fest: Sobald sie die Macht in den Händen haben, sind sie ohnmächtig. Er betrat die Schaltzentrale der Macht und kam als veränderter Mensch heraus. Einige gehen daran zugrunde, wie der Präsident in diesem Drama.Fast. Denn als seine Frau im Koma liegt, erfährt das Stück und seine Personen eine Wendung….

Ist es ein Polit-Drama?

Vontobel: Es spielt zwar in der Politik-Klasse; aber sie repräsentiert (spiegelt) ja nur die Gesellschaft. Sie kann keine Utopie mehr aufzeigen, sondern verwaltet nur noch.

Das klingt deprimierend.

Vontobel: Ja, aber am Ende gibt es einen Hoffnungsschimmer: Ebba, die sich lange geopfert und hinter ihrem Mann stand, will jetzt in eine neue Zeit aufbrechen.

Thema Sprache von Lot Vekemans.

Vontobel: Sie ist nicht einfach für Schauspieler; denn die Autorin spricht alles aus, erklärt alles, was wichtig ist. Bisher habe ich nur alte Dramen inszeniert. Shakespeare, Euripides etc. Da ist man daran gewöhnt, die alte Sprache neu zu deuten. Bei Vekemans ist es für Schauspieler schwierig, sich den Text ‚einzuverleiben’.

Jana Schulz spielt die Ebba. Mit ihr arbeiten sie seit Ihrem Studium in Hamburg?

Vontobel: Ja. Sie hat schon unzählige Rollen mit mir zusammen gespielt unter anderen auch die Kriemhild in meiner Bochumer Nibelungen-Inszenierung.

A propos Nibelungen – sie haben diesen Sommer bei den Nibelungen-Festspielen in Worms inszeniert?

Vontobel: Ja. Das war eine sehr spezielle und schöne Erfahrung – mit Orchester und tollen Spielern ein großes Spektakel draußen zu verantworten. Ansonsten, drinnen, führe ich regelmäßig Regie in Düsseldorf, Frankfurt und Mannheim, wo ich jedes Jahr Erfahrungen mit der Oper sammle - Aida, Fidelio, demnächst Verdis „Troubadour“.

Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht über Umwege eines Mathe-Studiums und die USA zum Theater gekommen wären?

Vontobel: Eishockey-Profi. Das ist seit der Jugend in Zürich meine große Leidenschaft. Es geht um Geschwindigkeit und Körperlichkeit, kann auch tänzerisch sein. Doch dann sind wir mit den Eltern nach Südafrika gezogen. Da war Schluss mit Eishockey.

Sie sind ein Teamplayer?

Vontobel: Ja, das kann ich gut, auch im Theater.

Vekemans, Momentum. Im Central/Hauptbahnhof, Termine: 12., 19., 30. Okt.,11., 23., 28. Nov. TEL: 36 99 11.

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