NRW Voces 8 bringt alles zum Leuchten

Das Londoner Vokalensemble Voces 8 zelebriert beim Gastspiel in der nahezu ausverkauften Johanneskirche Musik in Perfektion.

 Der künstlerische Leiter Barnaby Smith sowie seine Kolleginnen und Kollegen von Voces 8.

Der künstlerische Leiter Barnaby Smith sowie seine Kolleginnen und Kollegen von Voces 8.

Foto: kaupo kikkas/DF

Wer vom Unsagbaren erzählen will, muss schweigen. Oder singen. Letzteres bevorzugt, und das seit jetzt schon 15 Jahren: Voces 8. Das Oktett aus London hat den A-cappella-Gesang zu ungeahnter Perfektion entwickelt, schon bei seinem vergangenen Gastspiel beim Düsseldorf Festival kannte die Begeisterung des Publikums kaum Grenzen. Diesmal war die Johanneskirche mit ihrer für solche Anlässe exzellenten Akustik so gut besucht wie seit Langem nicht. Und der gespannten Erwartung des Publikums standen im Chor drei Frauen und fünf Männer gegenüber, die aus ihrer Freude, nach der langen Zeit des Lockdowns endlich mal wieder den Kitzel des Auftritts und die Interaktion mit realen Zuhörern erleben zu können, keinen Hehl machten. Das Programm „After Silence“ führte durch musikgeschichtliche fünf Jahrhunderte, der Genuss auf beiden Seiten war ganz und gar heutig.

Acht Notenständer, das massive Rickert-Kruzifix, im Chor sanftes farbiges Licht. Die acht Sänger wählen den Aufzug durchs Kirchenschiff und ihre Mienen erstrahlen mit jedem Schritt mehr. Der Applaus – Ausdruck gespannter Erwartung – euphorisiert. Byrd. Vielstimmiges aus Shakespeares Zeiten, Melodien in prachtvoller Webtechnik. Latein. Harmonien der beginnenden Neuzeit. Voces 8 finden in jeder der notierten Linien einen eigenen Sinn, jede der acht Kehlen gestaltet für sich, aber alles kommt und geht ins Ganze. Schon das Einatmen, der erste Akkord, alles strömt aus dem Nichts. Kein sichtbarer Einsatz stört den Beginn der Musik, die Gott allein die Ehre gibt.

Die Körper der Sänger sind Instrumente. Und Voces 8 versammelt in der Farbe kostbare, im Ton lichte, kaum vibrierende Stimmen, die sich in makelloser Intonation zu einem Obertonspektakel zusammenfinden. An diesem Abend ohne Unterlass. Egal, ob Schütz oder Rheinberger, Britten oder Sigurbjörnsson, Frank Sinatra oder Mendelssohn-Bartholdy. Immer stehen da vorn auf den Stufen des Chors Zauberer des Chorgesangs und zelebrieren ihre Kunst.

Benjamin Brittens „Hymn to Saint Cecilia“, eigentlich ein massives Chorwerk, steht als Anspruchsgipfel im Mittelpunkt. Zwölf Minuten Hochspannung und Formexperimente. Expressive Dynamik, skurrile Schnellsprech-Fuge. Wirklich anrührend aber sind die besinnlichen, die klanglich und harmonisch die tonalen Grenzen ausreizenden Stücke des Zwei-Stunden-Programms, die das alles, was Voces 8 ausmacht, zum Leuchten bringt. Der makellose hohe Sopran, die einzigartig aus Mann und Frau gemischte Alt-Fraktion, die zarten Tenöre und der schwerelose Bass, der selbst beim russischen Tieftönen noch lächeln kann. Das alles garniert mit launigen Moderationen in der Muttersprache der Sängerinnen und Sänger.

So findet mit Voces 8 das diesjährige Düsseldorf Festival den erwarteten musikalischen Höhepunkt. In einem Konzert, das bis auf die peniblen Einlasskontrollen und die Aufforderung ans Publikum, in der Kirche die Masken nicht abzulegen, an Vor-Corona-Zeiten erinnert. In der Pause gibt’s Wein und Selters, am CD-Verkaufsstand signieren die Sängerinnen und Sänger und plaudern mit den Fans.

Selbst ganz zum Schluss steht noch ein Bad in der Menge an. Da hatte Voces 8 mit Mendelssohns Elias-Schmachtfetzen „Denn er hat seinen Engeln...“ sein Publikum mit der zweiten Zugabe in vollkommene Seligkeit versetzt.

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