Düsseldorf Lindbergh, Wenders, Jim Rakete: Lockerer Talk mit Tiefgang

Peter Lindbergh und Wim Wenders loben gegenseitig ihre Kunst. Jim Rakete moderierte den munteren Diskurs.

Düsseldorf: Lindbergh, Wenders, Jim Rakete: Lockerer Talk mit Tiefgang
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Sie sind Titanen ihrer Branche. Oder, wie Beat Wismer (Chef des Kunstpalast-Museums) meinte, werden verehrt wie Popstars. Glamour und rote Teppiche inklusive. Deshalb wohl auch das silbrig glitzernde Sofa, auf dem Peter Lindbergh und Wim Wenders, beide um die 70, Platz nahmen. Der Duisburger Lindbergh, Promi- und Super-Model-Fotograf von Weltruf. Der gebürtige Düsseldorfer Wenders, internationaler Filmemacher und Landschafts-Fotograf aus Leidenschaft, dessen Bilder noch bis Mitte August den Kunsttempel im Ehrenhof zieren.

Die beiden verbindet die Jugend am Rhein und sie sprachen miteinander, moderiert von Jim Rakete. Letzterer — ein munter eloquenter Fotograf — entlockt den beiden in gut 90 Minuten manch persönliche Geständnisse. Am Ende stürmen die Fans zwar nicht die Bühne im Schumannsaal, stehen aber im Foyer Schlange, um sich Bücher und Kataloge signieren zu lassen.

Blitzlichtgewitter, sobald das Star-Duo erscheint. „Könnt Ihr nicht mal aufhören?“ nörgelt der leicht genervte Lindbergh, mit einem Schmunzeln, zu den emsigen Fotografen. Kein Platz blieb frei. Viele konnten keine Karte mehr ergattern. Vermutlich hätten auch sie Freude gehabt an dem lockeren Talk mit Tiefgang. Es ging um Fotografie, ihre Bedeutung, damals in den 68er Jahren, im virtuellen Heute und um einen sorgevollen Blick in die Zukunft. Besonders aber um Lobeshymnen und gegenseitige Bewunderung. Bewunderung der persönlichen Art, die die 800 Zuhörer rührte.

Der andere sei der Bedeutendste und einmalig in seinem Fach, loben sie sich gegenseitig. Wenn Lindbergh sein Gegenüber rühmt, klingt das emotional. Wenders bleibt in seiner Hymne analytisch, eher nüchtern.

Erst wenn er meint, dass seine Frau Donata sich vor der Kamera nur bei Peter Lindbergh geborgen fühle, kommen Gefühle ins Spiel. Wenders braucht die Einsamkeit, wenn er seine erzählenden Landschaften fotografiert, sagt er. Lindbergh indes hat bei Fotostrecken für Hochglanz-Magazine eine Crew von mindestens 25 Leuten um sich herum. Und Schwierigkeiten, dem Trubel zu entkommen und sich zu konzentrieren — auf ein Model oder abzubildende Prominente. Wenders schwärmt: „Nur Lindbergh schafft es, dass die Leute die Kamera nicht mehr sehen, sondern nur sein fröhliches Auge und keine Angst mehr haben.“ Und legt noch einen drauf: „Du kriegst sie alle rum.“

Daraufhin philosophiert Lindbergh über sein Erfolgsrezept: „Die Gefühle des Fotografen und des Fotografierten materialisieren sich.“ Wenders dagegen: „Du durchwanderst das Objekt durch das Fotografieren.“ So auch Linda Evangelista (Top-Model der 80er/90er Jahre). Und Schauspiel-Stars? Lindbergh: „Viele, die zu mir kommen, wollen sich selbst sehen. Und finden gut, dass man ihnen (mit der Kamera) auf die Schliche kommt.“

Lindbergh im Gegenzug verehrt Wenders Filme, wie ‚Salz der Erde’ (2014). „Alles, was Du gemacht hast, hat mich betroffen, jede Einstellung. Wenn ich einen Film drehen würde? Das wäre ein schwacher Abklatsch.“

Digitale Zukunft, Fotoshop und Selfies inklusive? Pessimismus macht sich breit. „Da ist eine große Katastrophe im Anmarsch“, warnen sie. Die Wahrheit spiele in der digitalen Welt keine Rolle mehr. Alles nur noch Kosmetik. Jim Rakete und die beiden fürchten daher, dass in der kommenden Generation die Verantwortung für Wahrheit schwinde. Da ergreift eine junge Frau (vielleicht eine Fotografin) das Wort: „Auch wir sind auf der Suche nach der Wahrheit.“

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