Liebe in Zeiten des Terrors

Buch: Die Düsseldorfer Autorin Gina Mayer erzählt in ihrem neuen Roman eine fesselnde Geschichte vom Widerstand gegen Hitler.

Düsseldorf. Die Schwestern Anna und Orlanda sind in ihrer Lebensauffassung und ihrem Äußerem grundverschieden. Die unscheinbare Krankenschwester Anna ist glücklich verheiratet, ihre lebenslustige jüngere Schwester Orlanda singt 1929 an der Düsseldorfer Oper und fühlt sich dort hin und her gerissen zwischen dem Violonisten Leopold und dem Startenor Clemens. Was die Schwestern jedoch eint, ist die Liebe zur Musik und ihr entschlossener Widerstand gegen den Naziterror.

Beider Leben ändert sich nach Hitlers Machtergreifung radikal. Orlanda verliert zuerst die Anstellung an der Oper und erhält mit ihrer neuen Jazz-Truppe "Melody Girls" schnell Auftrittsverbot. Auch Anna bekommt als OP-Schwester im evangelischen Krankenhaus die unmenschliche Politik der Nazis zu spüren. Beide schließen sich einer örtlichen Widerstandsgruppe an, was der jungen Orlanda zum Verhängnis wird.

Gina Mayer (44) hat die Handlung ihres neuen Romans "Das Lied meiner Schwester" im Düsseldorf der 30er-Jahre angesiedelt. Akribisch hat sie die hiesige Musikszene in den Zeiten der Weltwirtschaftskrise und des Hitler-Regimes erforscht und ein atmosphärisches Bild gemalt, wie es damals in der Oper und den Swing-Klubs der Altstadt zugegangen sein muss. "Mir war wichtig darzustellen, wie spannend, vielseitig und aufregend das Leben auch in dieser dunklen Zeit sein konnte", erklärt Mayer dazu.

Das Buch ist ein einfühlsamer Roman über das zwiespältige Verhältnis der beiden Schwestern und über die Unmöglichkeit der Liebe in Zeiten des Terrors. Darüber hinaus ist es auch eine gut recherchierte Dokumentation der barbarischen Zerstörung einer ganzen Kulturlandschaft durch die Nazis. Erfahrbar wird das besonders für den ortskundigen Leser durch die ausgewählten Schauplätze der Ereignisse.

So besuchen Orlanda und ihr Geliebter Clemens die Hetz-Ausstellung "Entartete Musik" im Kunstpalast im Ehrenhof, in der die Werke der größten zeitgenössischen Musiker und Komponisten verfemt wurden. Im Kaisersaal der Tonhalle sind sie Zeugen, wie Goebbels in seiner Rede anlässlich der "Reichsmusiktage" im Mai 1938 vom "germanischen Erbe in der Tonkunst" spricht und die "Befreiung der deutschen Volksmusik von jüdischen Elementen" bejubelt.

Gina Mayer beschreibt anschaulich, wie diese Politik auch das Ende der privaten Welt der Schwestern bedeutet und sie vor die Frage stellt, wie sich eine aufrechte Haltung im Angesicht der Tyrannei bewahren lässt.

Die Autorin lässt die Geschichte auf verschiedenen Zeitebenen spielen, in kurzen Einschüben erzählt sie, welches Schicksal einzelne Personen später erleiden werden. So verdeutlicht sie, welch tiefen Einfluss die damaligen Geschehnisse auf unsere Zeit haben. "Das Lied meiner Schwester" ist ein spannendes, berührendes und zugleich überaus informatives Buch.

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