Leise Momente im Orchestergraben

Pianist Denys Proshayev spielt als Solist in Martin Schläpfers b.10.

Düsseldorf. Klavierkonzerte werden normalerweise auf einem hell erleuchteten Podium aufgeführt. Der Pianist gibt meist das Tempo vor, und der Dirigent koordiniert das Orchester mit dem Solisten. Der dreiteilige Ballettabend b.10 jedoch sieht eine andere Anordnung vor. In Martin Schläpfers Choreographie zu Alfred Schnittkes „Drittes Klavierkonzert“ sitzt der Pianist im Orchestergraben und muss bedenken, dass der Dirigent nicht nur ihn und das Orchester, sondern auch die Tänzer im Blick haben muss — kein leichtes Unterfangen.

„Ich war am Anfang schon etwas ängstlich und darauf bedacht, nichts falsch zu machen“, sagt Pianist Denys Proshayev, der den Solopart in Alfred Schnittkes Konzert für Klavier und Streichorchester übernimmt. Er, der sonst im Scheinwerferlicht steht, spielt zum ersten Mal in einem Orchestergraben. Auch mit Tänzern hat er nie zuvor gearbeitet.

Als zu Beginn ungewohnt, aber auch überaus faszinierend habe er diese Aufgabe empfunden. „Anfangs gab es unterschiedliche Vorstellungen von den Tempi, aber wir hatten genügend Proben und haben uns angenähert.“

In Kiew, wo Proshayev als Kind eine Musikschule für Hochbegabte besuchte, hatte er das Schnittke-Konzert bereits in einem Konzertsaal aufgeführt. „Ich hatte da ganz andere Geschwindigkeiten als jetzt mit den Tänzern“, erklärt der 33-Jährige. Bei dem Klavierpart in Schläpfers Ballett sei eine spezifische Atmosphäre gefragt, seien leise Momente die große Herausforderung. „Diese Transparenz herzustellen, war nicht leicht.“ Zumal Schnittkes Klavierkonzert voller Facetten stecke, religiöse und politische Aspekte in sich trage. „Schnittke zitiert zum Beispiel ein Türglöckchen.“ Dieses Glöckchen habe in Russland eine makabre Bedeutung. „Das ist das Klingeln an der Tür im Morgengrauen, wenn noch alle schlafen und Stalins Schergen politische Gegner abholen.“ Der bewegendste Moment sei die Szene, in der die Engel auftreten, als die Protagonistin stirbt. „Wenn die Seele die Welt verlässt, bleibt nur noch die Stille im All.“

Für die pianistische Gestaltung seien die Musik und die Choreographie gleichermaßen von Bedeutung. Schläpfers tragische Liebesgeschichte sei für ihn beim Spielen sehr inspirierend. „Die rührende Geschichte und die Botschaft, dass Menschen nicht nur physisch, sondern auch geistig sterben können, hat mir einen neuen Blickwinkel gegeben und geholfen, das Werk noch tiefer zu verstehen.“

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