Lang Lang: Höher, schneller, ausverkauft

Freunde setzen mit Lang Lang auf musikalische Spitzenklasse.

Düsseldorf. Eine „Sternstunde“ soll es sein, wenn ein Mal im Jahr die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Tonhalle tief in die Tasche greift, um dem Düsseldorfer Publikum etwas Herausragendes zu bieten. Der Freundeskreis schließt dabei die Lücke zwischen Kosten und Kartenerlös. Bei Eintrittspreisen weit oberhalb der 100 Euro bewegt man sich im höheren Meisterkonzert-Segment. Die Tonhalle ist ausverkauft, auch die Chorplätze sind von Publikum bevölkert, kurz: Es geht viel Geld über den Tisch. Da kommt schon etwas Luxuriöses in Frage, ein Weltklasse-Orchester und ein Spitzensolist. Die Wahl fällt an diesem Samstagabend auf das New York Philharmonic Orchestra, den chinesischen Pianisten Lang Lang und Tschaikowskys 1. Klavierkonzert.

Die Entscheidung für ein Orchester der US-amerikanischen „Big Five“, gepaart mit einem ungemein populären Solisten, der das beliebteste Klavierkonzert der Welt spielt, birst nicht gerade vor Originalität. Zu diesem Votum hätte notfalls auch ein Pop-Agent gefunden. Kann man von Freunden der Tonhalle nicht etwas mehr künstlerische Extravaganz erwarten? Andererseits wollte man das Haus voll haben. Das ist ja auch gelungen, und freilich bewegt man sich musikalisch in einer Spitzenregion.

Was aber nun eine Sternstunde im Konzertsaal ausmacht, ist Definitions- und Ansichtssache. Gewiss komponierte Tschaikowsky mit seinem b-Moll-Konzert eines seiner mitreißendsten Werke. Und Lang Lang beherrscht die Kunst des Klavierspielens auf technisch höchstem Niveau, ebenso, wie die New Yorker symphonische Perfektion garantieren. Man kann sich zurücklehnen und das Werk genießen wie ein schönes Panorama, vergleichlich mit dem Blick auf den Central Park von der Aussichtsplattform des Rockefeller Centers. Alles ist blitzsauber, die lyrischen Passagen leuchten sanft. Doch diese Kunst berührt kaum, ja wirkt zuweilen steril. Tschaikowskys Ton der Leidenschaft wirkt wie gezuckert und auf der Schwelle zum Kitsch. Die Oktaven kann Lang Lang allerdings so schnell herunterdonnern, dass man wie gebannt ist.

Größere Tiefendimensionen besitzt aber die Darbietung von Sergej Prokofjews Fünfter Symphonie. Unter der Leitung des Orchester-Chefs Alan Gilbert funktioniert das Orchester wie ein Präzisionsuhrwerk. Die Akkuratesse verbindet sich mit energischem Zugriff in den schnellen Sätzen. Das etwas motorisch anmutende Scherzo entwickelt viel Drive, und im lyrischen Adagio nehmen feinste Streicherbögen für sich ein. Geizte Lang Lang nach dem Tschaikowsky noch mit einer Zugabe, spielten die New Yorker sogar zwei: den Rakoczy-Marsch aus Berlioz’ „Faust“ und Bernsteins „Lonely Town“. Begeisterter Beifall.

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