Kunst im öffentlichern Raum : Das radikale Werk des Eduardo Chillida
Düsseldorf Das 65 Tonnen schwere Monument steht hinter dem Dreischeibenhaus im Abseits.
Die alte Bundesrepublik ist „Chillida-Land“. Der Spanier Eduardo Chillida (1924 – 2002) löste gleichsam den Engländer Henry Moore in der Popularität als Vorzeigekünstler ab. Trier, Münster, München, Baiersbronn, Bad Homburg und natürlich Berlin sind Standorte seiner tonnenschweren Abstraktionen. Düsseldorf war die erste Station. Am 3. Juni 1971 wurde ein Corten-Stahl-Monument im Auftrag des Thyssen-Konzerns zum hundertsten Jubilläum der Firma am Dreischeibenhaus, der damaligen Firmenzentrale, aufgestellt. Der letzte Standort eines Monuments des Spaniers liegt vor den Toren Düsseldorfs als Landmarke auf der höchsten Stelle der Raketenstation in Neuss-Holzheim.
Die Kunst wurde auf der
Baustelle stehen gelassen
Ans Herz gewachsen ist die Düsseldorfer Skulptur den Bürgern jedoch nicht. Das war schon beim offiziellen Akt der Schenkung am 8. Juli der Fall, als am Festakt nur ein erstaunlich kleiner Kreis von Honoratioren teilnahm. Es findet sich kein einziges Interview mit dem Künstler in einer Tageszeitung. Mit der Rostpatina konnte aber auch der damalige Oberbürgermeister Willi Becker wenig anfangen. Er soll die Schenkung mit den Worten quittiert haben: „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.“ Fast zeitgleich war durch den ungeschickten Umgang mit dem Mäzen Ernst Schneider dessen Porzellansammlung großenteils aus Schloss Jägerhof nach München abtransportiert worden.
Unsensibel sind die Düsseldorfer geblieben. So wurde beim Stadtumbau, dem der denkmalgeschützte Tausendfüßler zum Opfer fiel, die gigantische Kunst des Spaniers auf der Baustelle stehen gelassen. Vermutlich dachte man: „Das Ding ist so schwer, das klaut niemand“. Dass man auch Skulpturen sichern muss, kam erst nach dem Protest der WZ im Jahr 2013.
Nun ist der Standort nach der Umbau-Euphorie keineswegs besser geworden. Chillida wollte sein Werk auf dem Vorplatz des Dreischeibenhauses haben. Das ging jedoch wegen der geringen Tragfähigkeit der damaligen Tiefgarage nicht, und beim Neubau dachte kein Stadtplaner und kein Kulturdezernent mehr an den Wunsch des inzwischen verstorbenen Künstlers. Die Skulptur blieb, wo sie ist, nunmehr durch Schranken und Absperrgitter vollends ins Abseits gedrängt. Dabei hätte man sich doch an dem „Berliner Chillida“ vor dem Bundeskanzleramt ein Beispiel nehmen können. Dort gilt die Kolossalskulptur als Aushängeschild für die weltoffene Stadt.
Wer das Kunstwerk hinter dem Dreischeibenhaus besucht, entdeckt ein besonderes Beispiel der Balance. Die 65 Tonnen von „Monumento“ wirken gigantisch und leicht zugleich. Ein Teil der Komposition scheint sich zu strecken, um den Rest zu stemmen. Trotzdem steht der Koloss nur auf der Spitze eines Rechtecks. Die Verteilung der Massen ist brillant gelöst, dennoch wird die Spannung sichtbar. Es geht schließlich nicht um Stand- und Spielbein, sondern um martialische Kräfte, die das Ganze stauchen, knicken und pressen, die es wie eine Ziehharmonika auseinanderziehen und in den verschiedensten Winkeln aufeinander beziehen. Der Stahl wurde im Hüttenwerk Oberhausen geschmolzen, die Brammen in Hattingen geschmiedet, geschnitten, gebogen und geschweißt, unter den ganz konkreten Angaben des Künstlers, der mehrmals vor Ort gewesen sein soll. Stets ging es ihm darum, Kraft und Leichtigkeit, Wucht und Dynamik, letztlich das Pathos der Gegensätze zur Einheit zu bringen. Die Arbeit ist nicht dünnwandig wie die Skulptur von Henry Moore im Hofgarten, sondern sie ist in ihrem Materialvolumen realiter anwesend.