Kultur in Düsseldorf Kulturstandort: Ateliers auf Zeit hinterm Bahnhof

Das leerstehende Postgebäude bietet Kreativen den bezahlbaren Raum, den sie woanders kaum finden.

Kultur in Düsseldorf: Kulturstandort: Ateliers auf Zeit hinterm Bahnhof
Foto: Melanie Zanin

Düsseldorf. „Zum Schreiben wollte ich aus meinen eigenen vier Wänden raus. Irgendwohin, wo ich meine Ruhe habe“, sagt Tobias Steinfeld. Der Düsseldorfer Autor veröffentlicht im kommenden Frühjahr sein erstes Jugendbuch (Arbeitstitel: „Im Himmel gibt es Sucuk so viel du willst“). Das entsteht nun in einem 27 Quadratmeter großen Schreibraum hinterm Hauptbahnhof.

Ein paar Zeitungsschnipsel hängen zur Inspiration an den ansonsten komplett weißen Wänden. Genauso karg die Einrichtung. Ein Tisch, ein Stuhl, eine alte Schreibmaschine. Mehr steht hier nicht rum. „Eigentlich ist der Raum viel zu groß für mich. Aber ich wollte unbedingt aus dem Fenster auf die Bahngleise schauen.“

Dass es an bezahlbaren Räumlichkeiten und Ateliers für Kreative in Düsseldorf mangelt, hat auch Tobias Steinfeld zu spüren bekommen: Die Suche nach einem passenden Schreibraum gestaltete sich schwierig. Bis er Anfang des Jahres von einem neuen, temporären Kulturstandort im leerstehenden Postgebäude am Hauptbahnhof Wind bekam.

Gerade einmal drei Euro pro Quadratmeter zahlen Künstler hier, um sich kreativ austoben zu können. „Es dauerte eine Woche, da waren alle Räumlichkeiten belegt“, erklärt Christian Fleischer von der Veranstaltungsagentur ZackBumm, der das Projekt „Postpost“ zusammen mit Philipp Maiburg vom Open Source Festival und DJ Dirk Schmaler initiiert hat. Tobias Steinfeld ist mit seinem neuen Schreibraum sehr zufrieden. „Man hat hier viel Ruhe, und der Preis ist natürlich unschlagbar.“

Im ehemaligen Verwaltungstrakt mit 60er-Jahre-Chic arbeiten neben dem Autor 45 weitere Künstler in 30 Atelierräumen, von Textilkünstlerinnen über Musikproduzenten bis hin zu Malern. „Ein Hintergedanke war natürlich, dass sich die Künstler auch untereinander vernetzen. Wir wollten das nicht forcieren, aber Raum dafür schaffen“, erklärt Christian Fleischer. Bei schönem Frühsommerwetter wird jetzt beispielsweise regelmäßig auf dem Außengelände zusammen gegrillt.

Damit die Räume so günstig angeboten werden können, wird der nebenanliegende Trakt für kommerzielle Veranstaltungen wie Street-Food-Festivals oder Trödelmärkte vermietet. Daneben gibt es eine dritte, kleinere Halle, die mietfrei für verschiedenste Aktionen genutzt werden kann. Sogar die komplette Technik wird kostenlos gestellt.

Trotzdem wird das letztgenannte Angebot bisher kaum angenommen. „Eigentlich wollten wir jeden Mittwoch eine Veranstaltung machen, aber die Nachfrage ist noch zu gering“, sagt Christian Fleischer. Wirklich erklären kann er sich das nicht. „Man bekommt den Raum zwar gestellt, aber setzt sich nicht ins gemachte Nest. Und muss sich ja auch noch um Werbung kümmern. Vielleicht zögern deswegen viele.“

Im Januar überließ der Investor Catella den kreativen Köpfen das Gelände zur Zwischennutzung. Ende September läuft der Mietvertrag aus, dann sollen hier rund 1000 Wohnungen entstehen. Für Christian Fleischer kein Grund, traurig dem jähen Ende entgegenzusehen. „Vieles entsteht hier nur, weil es temporär ist. Durch die zeitliche Begrenzung können ganz andere Dynamiken entstehen. Genehmigungen bekommt man zum Beispiel sehr viel schneller als bei Vorhaben, die langfristig angelegt sind.“

Außerdem sei das bei Festivals nicht anderes. „Auch da ist man monatelang beschäftigt, und nach der Veranstaltung ist alles vorbei und man beginnt wieder bei Null.“

Der Initiator ist sich sicher, dass aus den alten Industriehallen heraus viel Neues entstehen wird, das auch dann Bestand hat, wenn die Bagger anrollen.

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