Krimi: Eine Frau zwischen Elend und Emanzipation

Autorin Sabine Klewe lässt in „Die schwarzseidene Dame“ auf historischem Terrain morden.

Düsseldorf. Eigentlich hat Isolde Heinrich das große Los gezogen: Mit 22 Jahren ist sie beinahe schon ein "spätes Mädchen". Ihr schmales Gesicht mit den dunklen Augen und den braunen Haaren entspricht nicht dem Schönheits-Ideal der wonnigen Blondine.

Und als Tochter der Witwe eines Schumachers kann sie auch keine große Mitgift erwarten. Dass sie Albert Corte dennoch zu seiner Braut erwählt hat, grenzt an ein Wunder.

Denn die Cortes sind wohlhabend, angesehen und einflussreich. Isoldes Zukunft liegt klar wie ein Spiegel vor ihr: "Sie würde Düsseldorf verlassen und in seine Heimatstadt ziehen, ihm den Haushalt machen, ihm Kinder gebären, vielleicht auch in der Apotheke aushelfen." Doch immer wieder verschiebt Isolde den Termin für die Hochzeit.

Sabine Klewes Roman "Die schwarzseidene Dame" ist der erste Krimi der 43-Jährigen, der in der Vergangenheit spielt. Genauer gesagt im Jahre 1819 in Düsseldorf. Mit Isolde ist der Autorin eine sympathische Heldin gelungen.

Und zugleich eine Frauengestalt, die im Spannungsfeld zwischen Elend und Emanzipation agiert. Würde sie nicht heiraten, blickte sie einem Leben als Näherin oder Dienstmagd entgegen.

Dass sie als ledige weibliche Schreibkraft bei Konsistorialrat Bracht arbeiten darf, ist ungewöhnlich freizügig. Und über ihre geheime Sehnsucht, ein Studium der Medizin, schweigt sie sich lieber aus.

Isolde verfügt über eine scharfe Zunge, einen wachen Verstand und Beobachtungsgabe. Der eher schlicht gestrickte, konservative Albert ist ihr nicht gewachsen - das ahnt der Leser sehr früh.

Gemeinsam mit dem jungen Journalisten Robert klärt Isolde den Mord an einem Tagelöhner auf. Die Duo-Konstellation erinnert an Klewes bislang vierbändige Reihe um die Düsseldorfer Fotografin Katrin Sandmann, die gemeinsam mit ihrem Freund, einem Reporter, ermittelt.

Den Fall des getöteten Tagelöhners und das Schicksal der 200 Jahre zuvor ermordeten Herzogin Jakobe von Berg (die Heinrich Heine in "Das Buch LeGrand" als schwarzseidene Dame ohne Kopf durch Düsseldorf spuken ließ) verquickt die Autorin mit viel Lokalkolorit in authentischem Milieu zu einer atmosphärisch dichten Mischung aus Geister-, Tagebuch- und Kriminalroman. Gut recherchiert, spannend und farbig: Ein Schmöker mit Suchtpotential.

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