Konzertkritik: Daniel Barenboim trägt bei Schubert zu dick auf

Der Universal-Musiker trat als Pianist auf und polarisierte das Publikum in der voll besetzten Tonhalle.

Düsseldorf. Er gehört zu den ganz Großen in der Klassik-Welt, der Pianist und Dirigent Daniel Barenboim. Für renommierte Plattenfirmen hatte er zweimal sämtliche Beethoven-Klaviersonaten aufgenommen. Damals spielte er fast in einer Liga mit Maurizio Pollini und Martha Argerich. Dann wurde Barenboim vornehmlich als Dirigent berühmt, dirigierte überall auf der Welt, auch bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth.

Jetzt setzt er sich wieder häufiger ans Klavier, auch am Dienstagabend in der Tonhalle, wo er drei Klaviersonaten Franz Schuberts spielte.

Barenboim tritt dabei nicht auf wie ein Klischee-Star, betritt eher unauffällig das Podium, verbeugt sich an verschiedenen Stellen des Podiums, um möglichst allen im Publikum diese Geste zuteil werden zu lassen. Damit wirkt er wie ein treuer Diener der Kunst. Und um die Musik hat sich Barenboim auch immer verdient gemacht, sich in Israel für den dort unerwünschten Wagner eingesetzt. Ihm geht es nicht nur ums Auftreten, sondern auch um die völkerverbindende Sprache der Musik.

Der Universal-Musiker kann unglaublich viel, doch am Klavier ist er offenbar etwas aus der Übung gekommen, womöglich weil sein Terminkalender immer überquillt. Jedenfalls überzeugte sein Schubert-Spiel nur teilweise. Dem begeisterten Schlussapplaus im praktisch ausverkauften Saal zufolge, kam Barenboims Interpretation bei einem großen Teil des Publikums gut an. Es gab aber auch lange Gesichter und enttäuschte Mienen.

Was Barenboim beispielsweise aus Schuberts früher Sonate A-Dur D 664 machte, weicht doch hörbar von der lyrischen Anmut und klanglichen Transparenz ab, die Kollegen wie Sviatoslav Richter oder Alfred Brendel bei solcher Musik einst entstehen ließen. Barenboim greift entschieden zum dicken Pinsel und malt Schubert gewissermaßen in kräftigen Farben. Das ist dann nichts mehr für den intimen Salon, sondern fast schon etwas für die Opernbühne. Vieles wirkte grob gerastert und holzschnittartig. Immerhin erweist sich Barenboim als souveräner Gestalter, der in langsamen Sätzen intensiv romantische Stimmungen entstehen lassen kann.

In virtuosen Passagen stößt Barenboim wiederum etwas an seine technischen Grenzen. Da ist es schnell vorbei mit dem Raffinement. Zwar bewältigt der versierte Profi die anspruchsvollen Sonaten a-Moll D 845 und D-Dur 850 ohne Aussetzer, doch erscheint das Klangbild mitunter ungeschmeidig und vernebelt. Solche Schwächen überspielt er indes mit selbstbewusstem Auftrumpfen an Fortissimo-Stellen, die er mit der starken Pranke des Tastenlöwen hinschmettert. Das ist dann allerdings mehr illusionärer Theater-Donner als hochkarätiges Virtuosentum.

In der Zugabe, dem Finale der Sonate a-Moll D 784, macht Barenboim den Trivialfehler, zu schnell zu beginnen. Dadurch kommt er zum Schluss in die Verlegenheit, das Tempo drosseln zu müssen, um die zu Oktavgriffen der linken Hand verdoppelten Triolen überhaupt noch zu packen.

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