Konzert: Mit Ina Müller knietief im Stereotype-Bad

Die 48-Jährige quatscht sich durch die Wechseljahre. Live redet sie ebenso viel, wie sie singt.

Konzert: Mit Ina Müller knietief im Stereotype-Bad
Foto: Jan Woitas/dpa

Düsseldorf. Sonntagnachmittag, grauer Himmel: Der Abend auf dem Sofa verspricht Gemütlichkeit. Stattdessen geht’s zum Konzert — schließlich gab’s die Karten von den Kindern zu Weihnachten. Ina Müller, Sängerin und Sabbel-Königin, kennt das.

„Müssen wir da wirklich hin, fragt man sich am Nachmittag. Aber wenn man dann hingeht, war’s geil.“ Man wünschte, sie hätte Recht. Aber „geil“ wollte der Abend in der Halle an der Siegburger Straße — eine Mischung aus Konzert und Kabarett — nicht so recht werden.

Ina Müller — blonder Pferdeschwanz, schwarze Schlaghose — ist die, „die immer übers Bummsen redet“. Derb, direkt und laut. Das weiß sie, damit kokettiert sie. Das weiß auch das Publikum, etwa 5000 Leute, das gekommen ist. Doch die ironische Übertreibung, das Augenzwinkernd-Schlüpfrige allein können über zwei Stunden nicht tragen. Wer Geist oder Tiefsinn erwartet hat, wurde enttäuscht.

Stattdessen quatsche Müller, 48, sich durch die Wechseljahre. Falten, Krähenfüße, Winterfett und Frühlingsrollen, das sind die Themen, die die Wahlhamburgerin — und ihr Publikum — beschäftigen. Und: Männer. „Wir reden ja nicht nur aneinander vorbei, sondern gucken auch aneinander vorbei. Ihr Jungs guckt uns auf den Arsch und denk: Was ein Arsch. Wir denken das gleiche, aber schauen in euer Gesicht.“

Damit war der Kompass schon nach dem ersten Lied ausgerichtet: Es ging knietief durch Geschlechter-Stereotype. Zeitweise fühlte man sich gar an die flache Kalauerei des Comedians Mario Barth erinnert. Demnach sitzen Frauen nachts vor dem offenen Kühlschrank, kaufen ersatzbefriedigend Schuhe und beschäftigen sich ab Mitte 40 nur noch mit dem Verfall des eigenen Körpers.

Männer hingegen sind wehleidig, dauererregt, untreu und schnappen sich — sobald die eigene Frau älter wird — eine Jüngere. Soviel zum Thema Emanzipation. Skurril, bedenkt man, dass Müller mit Johannes Oerding selbst einen 16 Jahre jüngeren Freund hat.

Dabei kann Müller auch anders: In „Pläne“ singt sie berührend über den Tod eines Freundes, in „Fünf Schwestern“ von tiefer Geschwisterliebe. Die ruhigen Töne werden zu ihrer Stärke. Eine bemerkenswert variable Sängerin ist sie sowieso. Auch die fünfköpfige Band sowie die beiden Background-Sängerinnen sind ausgezeichnet.

Ein wenig Country hier („Sie schreit nur noch bei Zalando“), eine Note Folk da („Déja vu“) und zwischendurch eine Nuance Funk („Mark“). Selbstverständlich leicht verdaulich und im Rahmen mitklatschbarer Gefälligkeit. Ebenso wie das längst zur Masche gewordene Sex-Gerede.

Das Publikum indes ließ sich von der anpackenden Art Müllers mitnehmen, erhob sich kurz vor dem Ende gar begeistert zum Tanz. Es war offenbar froh, nicht auf dem Sofa geblieben zu sein.

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