Keine Tränen zum Abschied

Amélie Niermeyer beendet ihre Intendanz am Schauspielhaus. Große Erfolge blieben in den vergangenen fünf Jahren aus.

Düsseldorf. „Fang jetzt nicht an zu heulen.“ Sentimentalitäten duldet Amélie Niermeyer nicht. Auch nicht zum Abschied. Mit nüchternen Worten dankte sie in der vergangenen Woche Stefan Fischer-Fels, dem sichtlich gerührten Leiter des Jungen Schauspielhauses. Jetzt ist sie dran. An diesem Wochenende gehen die letzten Vorstellungen ihrer Intendanz über die Bühne.

Fünf Jahre hat Niermeyer eines der größten Sprechtheater Deutschlands geführt. Länger wollte sie nicht. Länger wollte auch Düsseldorf nicht. Damit ist sie in der Historie ihrer Vorgänger eine Ausnahme: Günther Beelitz, Volker Canaris und Anna Badora — sie alle prägten zehn Jahre das Gesicht des Theaters am Gustaf-Gründgens-Platz. Sie alle hinterließen beim Publikum Erinnerungen an Inszenierungen, die bundesweit Theatergeschichte geschrieben haben.

Schwächen: Hoch waren die Erwartungen, als die in Freiburg gefeierte junge Theaterchefin 2006 hier antrat. Doch es entstand alles andere als eine leidenschaftliche Partnerschaft zwischen Niermeyer und dem Publikum. Obwohl sie angetreten war, das Theater zu einem erklärtermaßen erotischen Ort in der Stadt zu entwickeln.

Zwar stimmten die Zahlen; Niermeyer steigerte die Auslastung unter anderem dadurch, dass sie die von Schulklassen und Familien stark besuchten Weihnachtsstücke im Großen Haus spielte. Doch künstlerisch blieben Erfolge mit Strahlkraft aus. Kein Mal wurde in den vergangenen fünf Jahren eine Inszenierung zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Aus den überregionalen Feuilletons verschwand das Düsseldorfer Schauspielhaus zusehends. Und in den Kritiker-Umfragen bewegte sich das Haus auf den hinteren Plätzen.

Ihre Arbeiten als Regisseurin, angefangen von Canettis „Hochzeit“, Kleists „Käthchen von Heilbronn“ und Tschechows „Möwe“ bis zur aktuellen Inszenierung „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss“ lieferten ästhetisch ansprechende Bilder, ließen die Zuschauer aber kalt. Große Gefühle — das ist nicht ihre Sache.

Schmerzlich für alle Theaterliebhaber Düsseldorfs fällt der Vergleich mit Köln aus. Dort hagelt es unter der Intendanz von Karin Beier Auszeichnungen. Die ebenso beliebte wie streitbare Theaterfrau hat das Schauspiel zum Thema Nummer eins in der Stadt gemacht.

Stärken: Worauf man sich in Düsseldorf immer verlassen konnte, war das Ensemble. Bei der Auswahl der Schauspieler bewies Niermeyer ein gutes Händchen. Regisseure wie Martin Heckmanns („Kommt ein Mann zur Welt“, „Hier kommen wir nicht lebendig raus“) und der Düsseldorfer Hermann Schmidt-Rahmer („Rechnitz“) waren eine ebenso gute Wahl wie die Theaterfassungen, die John von Düffel für das Düsseldorfer Schauspielhaus verfasste.

Dass sie das Junge Schauspielhaus an der Münsterstraße besser ausstattete und eng an das Große Haus anband, gehört klar zu ihren Verdiensten. Wenn auch die zahlreichen Erfolge der Spielstätte in Rath nicht ihr zugeschrieben wurden.

Niermeyer hat das Theater als Intendantin gut organisiert durch mehrere Umbauphasen geführt. Sicherlich keine leichte Zeit. Dafür gibt es jetzt mit dem Central am Hauptbahnhof eine Probebühne, für die Düsseldorf von allen Seiten beneidet wird. Eine Ausstattung wie diese sucht in Zeiten knapper Kassen ihresgleichen. Die Wiedereröffnung des Großen Hauses überlässt sie im Herbst ihrem Nachfolger Staffan Holm. Ein guter Moment für den Start in eine neue Ära.

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