Digitale Ausstellung Über den Besuchern geht die Sonne auf

Düsseldorf · Daniel Schubert und Kate Andrews begegnen einander mit ihren Werken in der Galerie Setareh X – vorläufig in einer Online-Schau.

 Daniel Schubert und Kate Andrews vor ihren Bildern in der Galerie Setareh X.

Daniel Schubert und Kate Andrews vor ihren Bildern in der Galerie Setareh X.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Online-Konferenzen ersparen Zeit und Anfahrtswege, Online-Bestellungen gehen flotter als Einkaufstouren, Online-Gottesdienste finden ein größeres Publikum als die traditionellen Zusammenkünfte in Präsenz – die Pandemie hat der Menschheit neue Gewohnheiten beschert. Doch das elektronische Abbild ersetzt kaum das Original. Wie viel wir verloren haben, wird einem bewusst in der Begegnung mit Kunst.

Ein eindrucksvolles Beispiel findet sich zurzeit in der Galerie Setareh X. Die Ausstellung mit dem Titel „Nuances“ führt Bilder der 28-jährigen Kanadierin Kate Andrews und des 36-jährigen Düsseldorfers Daniel Schubert zusammen und lässt über den Besuchern die Sonne aufgehen. Der unbetitelte Blickfang aus Schuberts sogenannter „Schimmer-Serie“ ist ein 1,70 Meter mal 1,15 Meter großes Hochformat, das seinen kreuzförmigen, hölzernen Unterbau ebenso wie eine Verdunkelung durch die Leinwand schimmern lässt. Während die vier Rechtecke der Komposition die Frage aufwerfen, ob die Leinwand oder das Holz dahinter die Farbe trägt, beherrscht ein überirdisches Phänomen die Mitte. Eine rötliche Sonne bescheint zärtlich die Betrachter wie ein Wink aus dem
Jenseits.

Eine technisch einwandfreie Reproduktion der Galerie Setareh X ruft nicht entfernt den Eindruck hervor, den das Original erweckt: ein Verwirrspiel um die Wahrnehmung, eine Quelle emotionaler Wärme und ein Triumph des natürlichen Stoffs Leinwand, der die sanfte Licht-Erscheinung wie ein Pastell wirken lässt.

Mit Deutungen hält sich der Künstler zurück. Seine Bilder sollen den Betrachtern Raum für eigene Erinnerungen lassen, vielleicht für einen Blick zurück in die Kindheit, an einen Wendepunkt des Lebens oder schlicht auf eine Landschaft, die man von früher kennt.

Schon länger trug sich Schubert mit dem Gedanken, seine Malerei in die dritte Dimension zu führen. Das Schimmer-Gemälde, so erklärt er in der Galerie, hat ihn zur „Kunst am Bau“ gebracht, zu geplanten Licht-Interventionen an „einem größeren Gebäude in Berlin“.

Kate Andrews’ Bilder vertragen sich gut mit denen des Düsseldorfers, wenn sie auch schon allein durch ihre Titelgebung intellektueller erscheinen. Die Kanadierin verpasst ihren Werken zusammengesetzte englische Titel, die es aber im Englischen als Begriffe nicht gibt, „Doublewalker“ zum Beispiel. Ein Brite wird das Wort nicht als Doppelgänger verstehen, ebenso wie er mit „Hoverbeam“ fremdeln wird, „Schwebestrahl“. Bei Kate Andrews bezeichnen derlei Titel Bilder, die aus dem Gegensatz markanter Zeichen und eines verschwimmenden, gleichberechtigten Untergrunds leben. Die Doppelgänger sind zwei große „X“ vor einer dunkelblauen, von weißen Pinselstrichen durchzogenen Fläche. Strenge Struktur trifft auf Verfließendes und erzeugt eine Stimmung – vielleicht Blitze bei Nacht oder ein Gefühlsausbruch. Ähnlich ist „Hoverbeam“ angelegt: zwei das Bild senkrecht durchziehende, oben beziehungsweise unten rund abbiegende Linien am Rande einer Farblandschaft. Architektur, so scheint es, trifft hier auf Landschaft. Andere Gemälde wie „Kapsel/Abrechnung“ beziehen sich auf die Welt des Digitalen, in diesem Fall durch ein schwarzes Plus-Zeichen in einem hellen Oval neben einem weißen Minus-Symbol auf schwarz bewegtem Grund.

Was Künstlerin und Künstler miteinander verbindet, formulieren sie im Gespräch selbst: die Natur erkennen und etwas wiedererkennen; die Zurückhaltung, die beiden Haltungen innewohnt; und die entscheidende Rolle, die der Umgang mit dem jeweiligen Material spielt. Stets wird eine Stimmung erweckt, die sich nicht in Worte fassen lässt, die das Original unmittelbar im Menschen hervorruft, der davorsteht.

Daniel Schubert stammt aus Viersen, studierte an der Kunstakademie Düsseldorf in den Klassen von Herbert Brandl und Eberhard Havekost und zeigte seine Werke bereits in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen, zuletzt in der viel beachteten Reihe „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“, unter anderem im Kunstmuseum Bonn. Im Herbst dieses Jahres will er mehrere Bilder in der Schau „Malerei feiern!“ zum 40-jährigen Bestehen des Niederrheinischen Kunstvereins im Städtischen Museum Wesel vorstellen.

Kate Andrews stammt aus Toronto, studierte in Kanada und dann an der Hochschule für Künste in Bremen. Dort schloss sie im vorigen Jahr ihr Studium als Meisterschülerin von Stephan Baumkötter ab. Zurzeit stellt sie im Westfälischen Kunstverein in Münster aus, später wird sie sich an einer Schau des Weserburg-Museums für moderne Kunst in Bremen beteiligen – immer vorausgesetzt, dass die Ausstellungshäuser wieder ihre Tore öffnen dürfen und Kunstinteressierte von online zurück auf offline schalten können, von der Reproduktion aufs unübertreffliche Original.

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