Feuilletönchen  (K)ein Kinderstück oder Kinder als Publikum

Düsseldorf · In der heutigen Kolumne widmet sich unser Kulturredakteur der Frage, inwieweit „erwachsene“ Kultur auch für Kinder geeignet ist.

Yasmeen Godders „Common Emotions“ ist kein Stück für Kinder. Doch funktionierte es vortrefflich auch mit jungem Publikum.

Yasmeen Godders „Common Emotions“ ist kein Stück für Kinder. Doch funktionierte es vortrefflich auch mit jungem Publikum.

Foto: Tamar Lamm

Ich hatte jüngst die Gelegenheit im Tanzhaus NRW ein Phänomen zu beobachten, das manche Vorstellungen von Kunst – ganz weit gefasst – „für Kinder“ durchaus in Frage stellt. Oft hört man, zeitgenössische vor allem performative Kunst könne man in vielen Fällen Kindern oder jungen Menschen nur schwer vermitteln. In ihrer Komplexität, oft durchsetzt von einer unserem Alltag  fremden Kunstsprache, funktioniere sie schon bei Erwachsenen nur unter Anleitung, wie sollen sie dann Kinder verstehen?

Es gibt eine florierende Szene von Kultur extra und speziell für Kinder. Kinderopern, Kindertheater, Kinderkonzerte und so fort. Dies hat auch durchaus seine Berechtigung; es gibt in der Tat sehr liebevoll bewusst für Kinder gestaltete Programme, nicht selten mit reichlich pädagogischem Hinterbau. Einwände, dies alles sei aber nötig, weil Kindern Kultur nun mal anders vermittelt werden müsse, erschienen mir immer zweifelhaft. Dafür habe ich zu oft – auch kleine Kinder – gesehen, die sich bei entsprechender Vorbereitung von ganz „erwachsener“ Kultur haben begeistern lassen. 

Ein besonders erfreuliches Beispiel war nun mein Erlebnis im Tanzhaus, das ohnehin indes mit einer sehr gekonnten Jugendsparte glänzt. Yasmeen Godders „Common Emotions“, ist ein hochgradig emotionales Werk, steht aber für all das was für gewöhnlich als problematisch für Kinder erachtet wird. Komplexe Verweise, auch mal verstörende Momente eingebettet in eine Tanzperformance voller poetischer indes avantgardistischer Ausdruckskraft. Die Tanz-Performance der israelischen Choreografin, die ihre Wurzeln auch in der Zusammenarbeit mit  Menschen mit Parkinson-Erkrankung hat, spielt zudem intensiv mit der Einbeziehung des Publikums in den performativen Dialog. Immer wieder wird das Publikum aufgefordert sich den Tänzer anzuschließen und verschiedene Bewegungs- und Handlungsmodi  mitzugestalten. Das Tanzhaus hatte sich entschieden zu einer Vorstellung dieses Werkes Schulklassen einzuladen. Das ganze Tanzhaus war mit Kindern und Jugendlichen gefüllt.

Und was passierte? Verwirrung, Langeweile, Verweigerung oder gar vollkommenes Unverständnis. Mit Nichten. Die Kinder reagierten direkt, sehr direkt, lachten und war auch mal etwas geniert. Doch das auf Partizipation ausgelegte Werk, das eben nicht „für Kinder“ geschaffen ist, funktionierte ganz vortrefflich mit dem jungen Publikum. Sie machten mit, ließen sich auf die Welt des Stückes ein. Kinder sind sogar oft das unvoreingenommenere Publikum. Dies zeigte sich hier.

Niemand soll sagen, Kindern könne man dieses oder jenes nicht zumuten – solange es aus Jugendschutzgründen geht.

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