Theater an der Kö Juli Zeh: „Merkel klebt am Sessel wie alternde Männer in Machtpositionen“

Das Stück „Mutti“ über Angela Merkel ist bald im Theater an der Kö zu sehen. Wir sprachen mit Autorin Juli Zeh über ihre Haltung zur Kanzlerin.

Theater an der Kö: Juli Zeh: „Merkel klebt am Sessel wie alternde Männer in Machtpositionen“
Foto: Kay Nietfeld/dpa

Düsseldorf. Juli Zeh (41) mischt sich gerne ein. Politisch, wie im Bundestagswahlkampf 2009, genauso literarisch. Die promovierte Juristin, Publizistin und Schriftstellerin, ausgezeichnet mit zahlreichen Preisen und häufig Gast in TV-Talkshows, kämpft nicht nur gegen einen Überwachungsstaat. Sondern schrieb 2014 mit „Mutti“ ein Theaterstück über Angela Merkel und die Große Koalition. Ab 16. September ist diese Polit-Komödie im Theater an der Kö zu sehen. Die WZ sprach mit der Autorin.

Wann haben Sie sich das letzte Mal so richtig über Angela Merkel als Kanzlerin geärgert?

Juli Zeh: Als sie verkündet hat, dass sie noch eine Legislaturperiode im Amt bleiben will. Nun klebt sie also doch genauso am Sessel, wie es sonst bei alternden Männern in Machtpositionen üblich ist. Glaubt sie wirklich, dass außer ihr niemand den Job machen kann?

Als Sie das Stück „Mutti“ schrieben, worüber ärgerten Sie sich damals?

Zeh: Ich habe große Einwände gegen die Regierungspolitik in Bezug auf die NSA-Affäre. Skandalöse Untätigkeit, während die Bürger ausspioniert werden, und dann plötzlich diese mädchenhafte Aufregung, als es ums Kanzlerinnen-Handy ging. Frau Merkel ist eine sehr kluge Frau, aber oft genug stellt sie sich dumm, um damit politische Untätigkeit plausibel zu machen. Im Stück geht es aber nicht so sehr um konkrete politische Handlungen, sondern mehr um die Struktur der Merkel’schen Machtausübung.

Eignet sich eine Figur wie Merkel überhaupt für ein abendfüllendes Theaterstück?

Zeh: Meines Erachtens eignet sich dafür jede denkbare Figur. Die Literatur kennt keine Grenzen bei der Wahl ihrer Gegenstände. Man sollte aber im Rahmen des guten Geschmacks bleiben.

Wie verkraften Sie es, wenn Regisseure Ihre Dramen verändern, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen?

Zeh: Bei einer Uraufführung möchte ich, dass der Text im Großen und Ganzen gewahrt bleibt. Aber bei allen späteren Inszenierungen haben die Regisseure große Freiheiten. Manchmal finde ich es toll, was ein Regisseur macht, manchmal weniger gut. Das Schöne ist, dass ich es ja nicht mögen muss.

Gibt es Momente, in denen Sie Frau Merkel bewundern?

Zeh: Ich bewundere Frau Merkel in vielerlei Hinsicht. Sie ist ein kluger, humorvoller, scharfsichtiger Mensch. Gerade deshalb geht mir die sture Passivität ihrer Politik umso mehr auf die Nerven.

Wie haben Sie für das Stück recherchiert?

Zeh: Einige Monate nahm die Recherche in Anspruch. Zuerst habe ich Biographien und Analysen über unsere Kanzlerin gelesen. Danach habe ich mir Angela Merkel, Sigmar Gabriel, Ursula von der Leyen und Horst Seehofer in vielen Talkshows und bei ihren Reden angeguckt. Ich wollte ein Gefühl dafür bekommen, wie sie sprechen, denken, was ihre Phrasen sind, und wo die echte Überzeugung beginnt . . .

Kritiker unkten, dass Ihr Werk als „Schlüsselloch-Dramolett“ keine Theatergeschichte schreiben werde.

Zeh: Die Tatsache, dass Sie mich interviewen, zeigt ja, dass „Mutti“ sehr erfolgreich ist. Das Stück lief bei den Ruhrfestspielen und im Anschluss in Weimar. Danach hatte es 50 ausverkaufte Vorstellungen in Hamburg. Nächstes Jahr wird es in Hamburg weitergespielt und geht auf Tournee. Und dann die bevorstehende Aufführung in Düsseldorf, auf die ich mich freue. Man sieht daran, dass es für politische Komödie in Deutschland durchaus ein Publikum gibt . . .

Werden Sie Frau Merkel in dem Stück gerecht?

Zeh: Darum geht es nicht, sondern darum, einige Aspekte ihrer politischen Strategie satirisch auf die Spitze zu treiben. Es ist kein Stück über die Person Angela Merkel, sondern über das Funktionieren der Regierungspolitik.

Warum benutzen Sie zahlreiche Merkel-Klischees?

Zeh: Frau Merkel ist ja kein Zustand, den man klischieren könnte, sondern unsere real existierende Kanzlerin. Sie hat es im „Aussitzen“ und in der „Politik der kleinen Schritte“ zur wahren Meisterschaft gebracht. Das prägt unser Land seit vielen Jahren, es prägt unser Selbstverständnis… Alles soll reibungslos funktionieren, keiner will mitmachen, alle wollen nur zuschauen und im Zweifel nörgeln, wenn etwas nicht so gut klappt.

Warum gehen Sie nicht selber in die Politik?

Zeh: Dafür bin ich nicht machtbegeistert genug. Politiker haben einen harten Alltag, werden vergleichsweise nicht gut bezahlt, müssen ständig mit Widerständen kämpfen und sich dann auch noch öffentlich mit Schlamm bewerfen lassen. Das hält man nur aus, wenn einem das Streben nach Macht einen echten Kick versetzt. Das ist bei mir nicht so.

Fühlen Sie sich von Kritik verletzt?

Zeh: Aber ja. Öffentliche Kritik ist immer dann schwer zu ertragen, wenn man persönlich angegriffen wird. Das ist mir schon häufig passiert, denn wenn man als Frau in der Öffentlichkeit den Mund aufmacht, fliegt einem öfter mal eine faule Tomate um die Ohren — sinnbildlich gesprochen.

Was macht Juli Zeh privat, wenn sie nicht schreibt?

Zeh: Da ich zwei kleine Kinder habe, bleibt neben der schriftstellerischen Arbeit und dem politischen Engagement nicht mehr so wahnsinnig viel Zeit. Immer, wenn ich kann, fahre ich zu meinem Pferd und reite eine Stunde.

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