Jugendliche als Tänzer und Choreografen

Das Junge Ensemble am Tanzhaus zeigt im neuen Stück, wie sich Jugendliche von der Gesellschaft wahrgenommen fühlen.

Düsseldorf. Die Tänzer lassen sich die Irritation nicht anmerken. Mit ausdrucksstarken Mienen und bis in die Fußspitzen gestreckten Muskeln tanzen sie die Szene zu Ende. Erst als Choreografin Ulla Geiges mit einem Tastendruck die Musik stoppt, plappern die Jugendlichen aufgeregt durcheinander, blicken ratlos einander an, deuten erneut Tanzschritte an. "So war das nicht abgesprochen. Die Kleinen hätten anders herum laufen müssen", ruft David (14) der Choreografin entgegen.

Noch sitzt die Szene nicht perfekt, obwohl die Zeit dem Jungen Ensemble (J.E.T.) des Tanzhauses NRW ganz schön im Nacken sitzt. Schon am Donnerstag soll das Stück "Jeux de société" (Gesellschaftsspiel) uraufgeführt werden. Auch wenn die Proben knapp bemessen sind - Ulla Geiges nimmt sich die Zeit, die Ideen der jungen Tänzer in das Stück einzuarbeiten. "Das ist Teil des Konzepts. Wir entwickeln die Stücke gemeinsam", sagt Geiges. "Nach den fünf Jahren ihrer Ausbildung am Tanzhaus NRW sollen sie soweit sein, auf eine Akademie gehen zu können."

Und da reiche es nicht, den Körper perfekt zu beherrschen. "Die Jugendlichen lernen auch, wie sie Bewegung auf die Musik abstimmen und Choreografien entwickeln können." Beim aktuellen Stück "Jeux de société" stand genau dieser Gedanke im Mittelpunkt. Was kommt heraus, wenn 17 junge Tänzer Bewegungsabläufe immer wieder unterschiedlich kombinieren, die Sequenzen auf Partituren von Antonio Vivaldi abstimmen und dem Stück einen gesellschaftskritischen Inhalt verpassen?

Die Antwort fällt beim Anblick der Proben nicht schwer: ein Stück, mit dem sich die jungen Talente selbstbewusst identifizieren. "Wir haben das Thema ,Gesellschaftsspiel’ gemeinsam erarbeitet", sagt David. "Wir haben überlegt, wie wir Jugendliche verschiedener Altersgruppen wahrnehmen und wie sie von der Gesellschaft eingeschätzt werden, welche Vorurteile, Freiheiten und Abhängigkeiten es gibt."

J.E.T ist aus drei Altergruppen zusammengesetzt. Auf der Bühne übernehmen die Jüngsten, die Neun- bis Zwölfjährigen, den Part der lenkbaren, wohl behüteten Püppchen, die von niemandem ernst genommen werden und in der Welt der Großen untergehen. "Sie sind wie Möbelstücke", erklärt Swane (12).

Die Gruppe der 13- bis 15-Jährigen verkörpert die "Null-Bock-Generation". "In einer Szene sitzen wir angetrunken auf einer Party", sagt David. "Dafür haben wir eigene Musik untermischen lassen." Der Unterschied zwischen den Generation wird auch optisch verdeutlicht. Die "Kleinen" tragen Schwarz-Weiß wie Schachfiguren, die "Rumgammler" tragen Freizeitklamotten.

Die Ältesten, die am Donnerstag auf der Bühne zu sehen sein werden, haben ihre Ausbildung am Tanzhaus NRW bereits hinter sich und gehen ihrer Tanzkarriere auf verschiedenen Akademien nach. "Sie spielen die Businessleute, die die Kleinen herumschubsen und nur auf sich bedacht sind", erklärt David.

Dass die 15- bis 17-Jährigen nur am Wochenende für Proben zur Verfügung stehen, erschwert die Sache. "Doch auch das muss gelernt werden: Die Tänzer müssen in den wenigen Proben volle Konzentration geben, so dass am Donnerstag alles perfekt sitzt, wenn es auf die Bühne hinaus geht", sagt Geiges.

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