Interview Johnny Armstrong: „Nationalismus ist eine Plage“

Düsseldorf · Der britische Comedian Johnny Armstrong ist eine Marke: Er trägt Vollbart und Glatze und macht Gags auf Deutsch. Am Sonntag kommt er mit seinem Programm ins Savoy. Ein Interview.

Der britische Comedian Johnny Armstrong kommt ins Düsseldorfer Savoy.  Foto: Chriss Cross Media

Der britische Comedian Johnny Armstrong kommt ins Düsseldorfer Savoy. Foto: Chriss Cross Media

Foto: Chris Chross Media

Der britische Comedian Johnny Armstrong arbeitete zunächst als Maschinenbau-Ingenieur, gab den Beruf aber auf und wechselte ins komische Fach. Seinen Durchbruch als Comedian schaffte er in Deutschland, wo er auch lebt. Die WZ sprach mit Johnny Armstrong über derben Humor, britisch-deutsche Gemeinsamkeiten, Wohnen in sozialen Brennpunkten und über Nationalismus.

Herr Armstrong, Sie fallen bereits durch ihr markantes Äußeres auf: Glatze und Vollbart. Sie kokettieren immer wieder damit und sagen zum Beispiel vor einem Auftritt: „Ich weiß, was ihr denkt: oben Nazi, unten Salafist.“ Lieben Sie die Extreme?

Johnny Armstrong: In der Comedy spielt man immer mit Spannung. Das ist wie mit einer Feder. Man muss sie aufspannen und dann entspannen. Dann kommen die Lacher, wenn es völlig unerwartet ist. Ja, man kann solche extreme Themen ansprechen, man muss sie auch ansprechen. Das ist Heilsalbe für die Gesellschaft, das ist der Grund, warum es Comedy überhaupt gibt.

Haben Sie sich bewusst dafür entschieden, für die Bühne einen Vollbart zu tragen oder steckt dahinter eine rein private Entscheidung?

Armstrong: Beides. Ich bin Maschinenbauingenieur, habe aber die Karriere aufgegeben und auf Baustellen gejobbt. Auf einer Baustelle in Berlin kam es zu einem Unfall. Ein Stück Gerüst ist auf mich gestürzt und hat mein Ohr zerfetzt. Es wurde zusammengenäht und ich durfte mich sechs Wochen nicht rasieren, sollte die Stelle trocken halten. Dann hatte ich einen Bart. Und die Leute haben gesagt: Das sieht gemütlicher aus, das steht mir. Früher hatte ich eine Glatze, weil die Leute nicht denken sollten, ich sei 50 oder 60 Jahre alt. Ich dachte, es wäre cool, wenn ich ein Markenzeichen habe, das ist sehr wichtig im Show-Business.

Was hat Sie dazu gebracht, Ihren Beruf als Maschinenbauingenieur an den Nagel zu hängen und Comedian zu werden?

Armstrong: Meine Mutter wollte, dass ich was Anständiges studiere, Arzt oder Architekt werde, ich war gut in Mathe. Ich mag es, kreativ zu sein. Maschinenbau ist auch sehr kreativ, man ist eigentlich Erfinder. Aber schon seit der Grundschule habe ich Sketche geschrieben, Stand-Up-Comedy gemacht, lustige Reden gehalten. Es war da schon klar, dass ich Comedian werden wollte.

Sie haben auch Ihrer Heimat England den Rücken gekehrt und sind nach Deutschland gezogen. Warum?

Armstrong: Es war die Herausforderung, Comedy in einer Fremdsprache zu machen. Ich dachte auch, es gibt keine Comedy in Deutschland. Und in England war ich als Komiker äußerst unerfolgreich.

In Deutschland hingegen läuft es für Sie sehr gut als Komiker. Sie führen Ihr Programm auf Deutsch auf. Ist die Idee des „deutschsprechenden Briten“ der Grund für Ihren Erfolg?

Armstrong: Zunächst dachte ich, dass ich auf der Bühne entdeckt werden würde. Stimmt nicht, man muss sich dafür bewerben. Aber der deutschsprechende Engländer war eine große Marketing-Strategie. Alle haben sich dafür interessiert und haben mich angesprochen. Ich wurde tatsächlich entdeckt. Wie in einem Märchen. Eine Agentur nach der anderen hat mich angefragt und ich habe die beste ausgewählt.

Ihr aktuelles Programm heißt „Gnadenlos“. Wer erfährt denn darin alles keine Gnade?

Armstrong: Es ist die Geschwindigkeit. Ich mache 500 Pointen über 90 Minuten. Es ist zum Teil sehr derb, sehr unter der Gürtellinie.

In der Tat: Sie nehmen Telefonsex wörtlich, weswegen das Smartphone im Gesäß landet, oder es geht um Beulen im Hoden. Gehen Sie mit Gags bewusst unter die Gürtellinie, um zu provozieren?

Armstrong: Es geht nicht um Provokation. Die Idee ist, die Leute zum Lachen zu bringen. Hauptsache lustig. Der Gag muss funktionieren.

Ihre Comedy fokussiert sich stark auf Wortspiele. Zum Beispiel: „Ich bin metrosexuell. Sex habe ich nur in der U-Bahn“. Was reizt Sie an Wortspielen?

Armstrong: Ich habe diese Art von Witzen immer gemocht: Kalauer, Wortspiele. Man sagt auf Englisch „dead jokes“. Mein Lieblingskomiker war Groucho Marx, der Typ von den Marx Brothers mit dem Schnurrbart. Er hat immer brillante Wortspiele gebracht, das hat mich als Kind sehr gereizt.

Nun könnte man von Ihnen als in Deutschland lebender Brite Gags über die Unterschiede zwischen England und Deutschland erwarten. Sie scheinen sich aber mehr für die Gemeinsamkeiten beider Länder zu interessieren. Etwa wenn Sie sagen: „Wir Engländer trinken viel Tee, ihr Deutschen macht eine Wurst daraus. Das passt.“ Ist das so?

Armstrong: Ich merke nicht die großen Unterschiede zwischen England und Deutschland. Ich merke nur, wie ähnlich wir sind. Menschen sind Menschen. Die Deutschen haben auch Humor. Ich war neulich in Bielefeld und diese Idee, dass niemand sicher ist, ob Bielefeld existiert, ist tiefsinnig, philosophisch. Es gibt keinen Witz dieser Art über irgendeine englische Stadt in England.

Sie verknüpfen aber auch die konfliktreiche Geschichte der Länder im Vereinigten Königreich mit Ihrer eigenen Biografie: „Meine Eltern waren nie zusammen, mein schottischer Vater hat sich sehr früh für seine Unabhängigkeit entschieden.“ Was halten Sie von Unabhängigkeitsbestrebungen, wie sie bestimmte politische Parteien in Schottland fordern?

Armstrong: Ich bin ein Anti-Nationalist. Unabhängigkeit ist ein Mythos. Sogar nach dem Brexit wird Großbritannien völlig abhängig von Europa sein. Wir müssen Verträge machen. Der schottische Nationalismus kam Ende der 1990er mit dem Film „Braveheart“. Da dachten die Schotten: Wir sind besser als die Engländer. Ich bin in England geboren und aufgewachsen, habe in Schottland studiert. Und ich habe einen schottischen Nachnamen. Armstrong ist ein schottischer Familienclan, wir haben ein eigenes Schottenrock-Muster und Wappen. Aber Nationalismus ist eine Plage für die Menschheit.

Sie machen sich aber auch über die sogenannten sozialen Brennpunkte in Deutschland lustig, etwa das bei Zuwanderern beliebte Berlin-Neukölln: „Ich hab einen Deutsch-Kurs gemacht an der Volkshochschule Neukölln. Jetzt kann ich fließend Türkisch.“ Wie nehmen Sie Neukölln wahr?

Armstrong: Ich wohne in Neukölln und ich liebe es. Ich bin Großstadtmensch, ich mag richtig Multikulti. Es gibt auch gutes arabisches Essen dort. Ich könnte nirgendwo anders leben.

Letztlich nehmen Sie sich oft selbst aufs Korn: „Ich habe meine Freundin gefragt, warum sie beim Küssen die Augen nicht mehr zumacht. Sie meinte, weil sie sich mittlerweile an mein Aussehen gewöhnt hat.“ Wie wichtig ist es, als Spaßmacher auch selbstironisch zu sein?

Armstrong: Meistens ist es gut, wenn ich ein Gag mache, bei dem alle denken: Was für ein Arschloch! Und wenn ich dann nach so einem Spruch auf die Nase falle, ist es besonders gut. Das Publikum will, dass ich umfalle.

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