Düsseldorf Jean-Michel Jarre in concert: Musik im Strom der Leuchtfarben

Jean-Michel Jarre macht bei seiner Tour zum neuen Album „Electronica 1 & 2“ Station im Düsseldorfer ISS Dome.

Die Bühnenshow ist bei Konzerten von Jean-Michel Jarre traditionell wichtig.

Die Bühnenshow ist bei Konzerten von Jean-Michel Jarre traditionell wichtig.

Foto: Lars Wallerang

Düsseldorf. Der Pionier der elektronischen Unterhaltungsmusik bleibt seinem Stil treu. Jean-Michel Jarre, dem 1976 mit dem Album „Oxygène“ sein internationaler Durchbruch gelang, komponiert noch immer in Moll und kommt mit auffallend wenigen Akkorden aus. Dabei gelingt es ihm aber sein Publikum zu elektrisieren. Denn jeder Ton wird bei dem französischen Meister der akustischen Spezialeffekte zum Zentrum einer ganzen Galaxie der synthetischen Klänge.

Im Düsseldorfer ISS Dome war er jetzt zu Gast und spielte neben seinen bekannten Hits auch neue Kompositionen für seine zwei jüngsten Alben „Electronica 1 & 2“. Bis Jean-Michel Jarre mit seinen Synthesizern und Band-Kollegen in Aktion traten sollten allerdings 20 Minuten vergehen, in denen die Besucher immer unruhiger wurden und begannen aufmunternd zu jubeln und zu klatschen. Doch dann verwandelte sich die bis dato trist beleuchtete Halle schlagartig in ein Meer von Farben und synthetischen Klängen. „Guten Abend Düsseldorf“ rief Jarre in die Menge. Und schon setzt der Mann in schwarzer Kleidung und dunkler Sonnenbrille den Saal sogleich audiovisuell unter Strom.

Der besondere Reiz entsteht durch die Spannung zwischen Purismus und Raffinement. Es gibt wenig Melodie, keinen Gesang, keinen Text, nur schlichte Akkordfolgen, Einzeltöne und Wiederholungen. Der Bass dröhnt mächtig und wird im Magen spürbar, Rhythmen hämmern, und die Synthesizer sirren wie Laserpistolen im Science-Fiction-Film. Musik ist hier aber nur die halbe Miete: Scheinwerfer, Licht-Projektionen und im Kunstnebel reflektierende Laserpointer zünden ein ganzes elektrisches Feuerwerk, teilweise mit dreidimensionalen Effekten. So bekommt der Besucher das Gefühl sich unter einem leuchtenden Farbenzelt zu befinden.

Derweil ereicht die Musik hohe Lautstärke und dröhnt in den Ohren. Offenbar haben sich die Musiker auf ein Dauer-Fortissimo festgelegt, das kräftig einheizt, allerdings mit der Zeit auch etwas an den Hörnerven zerrt. Intensiv strahlt dabei die Bühne, auf deren mehrere Metallgitter stehen, die alle Projektionen stark reflektieren. Es gab aber auch kurze intime Momente, etwa als Jean-Michel Jarre auf einer riesengroßen virtuellen Gitarre spielt. Sie besteht nur aus grünen Lichtstrahlen, die aussehen wie Instrumenten-Saiten. Wie ein nach oben geöffneter Fächer erreichen diese projizierten Linien die Saaldecke. Langsam greift der Musiker in die Saiten — ein geheimnisvoller Augenblick.

Obwohl es bei Jarre keine Sänger gibt, taucht doch noch jemand auf, der Texte liefert: Whistleblower Edward Snowden. Ein gefilmtes Interview mit dem amerikanischen Ex-Geheimdienstmitarbeiter zum Thema Datenschutz ist in eins der Musikstücke eingearbeitet. Da bilden Snowdens Stimme und Jarres Musik eine neue melodramatische Einheit. „Wir brauchen Whistleblower“, ruft Jarre dem Publikum zu, das jubelnd den Appell bestätigt. Unterdessen ist die Atmosphäre in Maßen aufgelockert. Ein paar Fans hören das Konzert stehend und im Rhythmus leicht mittanzend, die meisten behalten Platz. Jean-Michel Jarres Kunst fasziniert trotz der etwas in die Jahre gekommenen Ästhetik noch immer, wirkt aber auf die Dauer bei aller Pracht der Sound- und Lichteffekte etwas eintönig. Gleichwohl: Großer Jubel im Dome.

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