Interview mit Liedermacher Stephan Sulke: Blödheit hat Hochkonjunktur

Im Alter kommt eine gewisse Bescheidenheit, sagt der Liedermacher Stephan Sulke.

<strong>Düsseldorf. Ein Liedermacher mit Weltverbesserungs-Attitüde war Stephan Sulke nie. Lieber erzählt der Schweizer Poet von kleinen und großen Alltags-Gefühlen und von Deppen wie ihm, die noch an die große Liebe glauben. Sulke: Die schlimmsten Berufe der Welt sind Staatsanwälte und Journalisten - das sind einfach widerliche Typen. Danke für die Blumen. Sie hassen Interviews. . .?Sulke: Das war früher, als man mir Fragen stellte wie: Singen Sie gerne? Inzwischen habe ich den Riesenvorteil des Alters - Älterwerden heißt ja "Ohrfeigen bekommen". Und von denen habe ich so viele erhalten, dass eine gewisse Bescheidenheit dazu kommt. Bescheidenheit?Sulke: Zu wissen: Du bist so was von vergänglich, Junge! Oder: Es gibt sechs Milliarden Menschen und von denen glaubt jeder, er sei der Größte. Dazu kommt, dass ich nie ein Star im eigentlichen Sinne war, sondern ein stinknormaler Allerweltsheini.

"Ich habe nie Männer erlebt, die eine solch gnadenlose und konsequente Grausamkeit an den Tag legen wie Frauen."

Einst füllten Sie Hallen - heute müssen Sie sich mühen, um ein paar Hundert zu locken. Ist das ein Abstieg?Sulke: Ich bin einen Schritt rauf gegangen: Endlich habe ich Kontakt mit den Leuten - ich werde nie wieder in so große Hallen gehen. Ich bin ich nicht mehr abhängig von Tour-Veranstaltern, Plattenfirmen und dieser ganzen Industrie. Jetzt habe ich die herrliche Freiheit für die Kleinkunst, die ich gerne machen möchte. Sind Sie noch immer süchtig nach dem Bühnen-Auftritt?Sulke: Mutterseelenallein auf einer Bühne zu stehen, vor einem vollen Saal und einem Publikum, dass dich will und am Schluss nicht weggehen lassen will: Das ist eine Erotik und eine Sexualität, das ist ein Kick, bei dem sämtliche Hormone ausgestoßen werden, die uns die Natur in ihrer herrlichen Vielfalt zur Verfügung gestellt hat - da ist alles drin! Die Bühnensucht ist also geblieben, die Themen auch: Sehnsucht, Einsamkeit, Liebe, Illusionen...Sulke: Was die Themen betrifft - Themen sind uninteressant. Grundsätzlich ist alles gesagt worden, es gibt nichts Neues zu erzählen. Das einzige, was wirklich Hochkonjunktur hat, ist die Blödheit: Der Dummheit geht’s gut - aber darüber ein Lied schreiben? Was zählt, ist der Transport des Themas, die Form und die Langlebigkeit. Und welche Themen besitzen solch eine Langlebigkeit?Sulke: Da ist man sehr schnell bei den Themen, die einfach Allgemein-Gehalt haben: Ob ich in der früheren Sowjetunion unter Stalin gelebt habe oder in Kalifornien als Kind eines Hollywood-Millionärs - meine Liebesprobleme waren und sind genau die gleichen. Sehen Sie es als algebraische Gleichung, nehmen auf der einen Seite Stalin weg, auf der anderen Hollywood - was als Thema bleibt, ist die Liebe. Und die Zeit hat mir Recht gegeben. Ein Liedermacher, den die Politik so gar nicht interessiert?Sulke: Unsere Gesellschaft hat ein Problem: Wir sind einfach vollgefressen und faul. Die Vollkasko-Gesellschaft ist im Grunde das, was wir wollen - obwohl wir genau wissen, dass wir sie uns nicht leisten können. Wir haben Angst vor jungen Völkern in Asien oder auch in Osteuropa, die wie blöd malochen, um vorwärts zu kommen - aber soll ich darüber einen Song schreiben? Wir leben halt in einer dekadenten Zeit, und irgendwie finde ich das sauschön. Aber vorher widmen Sie sich in Ihren Liedern der Liebe und den Frauen: Uschi, Jeannette, Anika...Sulke: ...ich liebe Frauen und ich hasse sie und zwischendurch fasse ich sie auch mal an - verstanden aber habe ich sie nie. Ja, manchmal habe ich das Gefühl, Frauen sind eine andere Welt: Wenn wir Männer Menschen sind, sind Frauen eine andere Spezies. Ich habe nie Männer erlebt, die eine solch gnadenlose und konsequente Grausamkeit an den den Tag legen können wie Frauen.
  • Samstag, 3. März, 20 Uhr, Savoy Theater, Graf-Adolf-Straße 47, Karten: 0211/32 91 91.
  • Stephan Sulke

    Geboren: 27. Dezember 1943 in Shanghai - wohin seine Eltern vor den Nazis geflüchtet waren. Er wuchs nach der Rückkehr seiner Familie nach Europa in der Schweiz auf.

    Preis: Seine erste Single war1963 "Mon Tourne-Disque". Für sie erhielt er den Grand Prix du Premier Disque.

    Hit: Eigene Lieder in deutscher Sprache erscheinen seit 1974. Das bekannteste ist "Uschi" von 1982.

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