Interview „Letzendlich geht es um die Suche nach sich selbst“

Düsseldorf · Interview Der Leiter des Filmmuseums, Bernd Desinger, über das Schreiben an seiner Trilogie.

 Filmmuseums-Direktor Bernd Desinger vor seiner Krimi-Trilogie im Kühlregal.

Filmmuseums-Direktor Bernd Desinger vor seiner Krimi-Trilogie im Kühlregal.

Foto: Stephan Lode

Bernd Desinger ist Film-Experte, spielte früher Gitarre, schreibt aber auch Romane. Für das Goethe-Institut arbeitete und lebte der 57-Jährige mit Familie sieben Jahre in Toronto und fünf Jahre in Los Angeles. Seit 2009 leitet er das Filmmuseum, opfert aber seit 13 Jahren jede freie Minute seiner Trilogie „Doppelweg“, die er kürzlich mit dem letzten Band „Die Runde der Raben“ vollendete – jetzt als Paperback erschienen. Dienstag liest er aus seinem Gesamtwerk, dem er moderne Figuren mit Fantasy-Elementen verquickt. Ort: die Zentralbibliothek, Bertha-von-Suttner-Platz 1. Die WZ sprach mit ihm.

Herr Desinger, wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

Desinger: Tatsächlich habe ich für die Bands, in denen ich spielte, die Texte zu den Stücken geschrieben. „Rocklyrik“ nenne ich das, und über die Jahre ist da einiges zusammengekommen. Als Jugendlicher habe ich allerdings auch schon erste Kurzgeschichten verfasst.

Haben Ihre Bücher generell etwas mit Film zu tun?

Desinger: In den Rezensionen war häufig zu lesen, dass ich filmisches Schreiben verwende. Da ist sicher etwas dran. Gemeint sind damit Techniken, die z.B. an Kamerafahrten, Einstellungswechsel oder Montageverfahren erinnern. Und: Passagen folgen auf die szenische Beschreibungen, oft erwähnt werden die Orts- und Landschaftsbeschreibungen. (Er schmunzelt) Der Stoff wäre vielleicht etwas für Peter Jackson (Regisseur von „Herr der Ringe“).

Sind Sie Fantasy-Fan?

Desinger: Eigentlich nicht. Mit 16 habe ich „Der Herr der Ringe“ gelesen, aber das war nicht nachhaltig. Begeistert haben mich später E.T.A. Hoffmann und Edgar Allan Poe. In dem Sinne, dass viele ihrer Geschichten in der Wirklichkeit spielen, in die dann das Surreale eindringt. Das gibt es schon bei Shakespeare. Und viel früher in der Artus-Epik. So auch bei der Trilogie: Die Story mit ziemlich normalen Hauptcharakteren spielt in der Jetztzeit, ist eine Abenteuer-Erzählung, gleichzeitig ein Bildungs- und Entwicklungsroman, fast im klassischen Sinne. Letztendlich geht es um die Suche nach sich selbst.

Was ist für Sie so faszinierend an dem Genre Fantasy?

Desinger: Sagen wir eher an fantastischen Momenten oder unwirklichen Ereignissen. Sie konfrontieren die handelnde Person mit etwas Unerhörtem, nie zuvor Erlebtem. Damit müssen sie umgehen und darauf reagieren.

„Die Runde der Raben“ ist das Ende der Trilogie. Worum geht es darin?

Desinger: Sie handelt von vier jungen Leuten (Jannifer, Lance, Erik und Falk), die sich nach dem Studium auf die abenteuerliche Suche nach dem unter mysteriösen Umständen verschwundenen Freund Arthur begeben. Von Deutschland aus verschlägt es die vier in verschiedene Teile der Welt. Immer wieder brechen surreale Begegnungen und Erlebnisse in ihren ganz normalen Alltag ein, die ihre Lebenswege komplett verändern. Die die Suche nach dem Freund gerät zu einer Suche nach sich selbst.

Das könnte interessant sein für ein breites Publikum, oder?

Desinger: Ja, die jüngste Leserin, die mir schrieb, war 16, auf Lesungen waren aber auch über 70-Jährige, die Verbindungen zu entscheidenden Wendepunkten in ihrem Leben herstellen konnten.

Wie kamen Sie auf das Thema?

Desinger: Während meines Studiums habe ich mich lange Zeit mit der mittelalterlichen Artus-Sage beschäftigt. Faszinierend war, dass Kernfragen menschlicher Existenz über 800 Jahre hinweg unverändert geblieben sind. In vielen Artus-Geschichten zieht jemand, meist ein Ritter, hinaus in die Welt, setzt sich eine Aufgabe, meint das Richtige zu tun. Er gerät durch innere oder äußere Ereignisse ins Straucheln, scheitert mitunter. Er stellt große Sinnfragen und erkennt, dass er noch einmal ganz von vorn losgehen muss.

Die Fülle von Figuren und Orten machen ganz schön schwindelig. Muss das sein?

Desinger: Die Frage verstehe ich nicht. Es gibt vier Hauptcharaktere, deren Leben ich über einen langen Zeitraum (sieben Jahre), intensiv verfolge. Natürlich gibt es viele Nebenfiguren wie im wirklichen Leben… Viele Leser lieben es, langsam zu lesen, um möglichst viel mitzubekommen.

Kann man „Die Runde der Raben“ verstehen, wenn man die ‚Vorgänger’-Romane nicht gelesen hat?

Desinger: Es gibt sowohl im zweiten als auch im dritten Teil Rückgriffe auf das, was bislang geschah. Ich bin überrascht, dass manche Leser nur den dritten Teil gelesen haben und damit keine Probleme haben.

Wie empfehlen Sie einem Leser, der Fantasy nicht mag, Ihren Roman?

Desinger: Dies ist einfach, denn die Doppelweg-Trilogie ist eben nur bedingt eine Fantasy-Erzählung. Doch Hand aufs Herz: Wer glaubt nicht, dass es außerhalb der physikalisch erfassbaren Welt manch’ unerklärliche Dinge zwischen Himmel und Erde gibt?

13 Jahre haben Sie an der Trilogie gearbeitet. Eine mystische Zahl. Sind Sie nicht abergläubisch?

Desinger: (Er lacht) Nein. Als ich in Kanada meine Piloten-Prüfung bestand, bin ich an einem 13. geflogen. Und es ist nichts passiert.

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