„Ich renne der Zeit ständig hinterher“

Porträt: Sopranistin Marlis Petersen erlebt eine kometenhafte und zeitintensive Karriere. Zwischen Engagements in New York und Mailand bleibt ihr kaum Luft.

Düsseldorf. Eine Stunde bis zum Auftritt. Marlis Petersen rauscht in die Garderobe, herzt die Maskenbildnerin und lässt sich in den Schminkstuhl fallen. Zeit zum Entspannen. 30 Minuten. Danach braucht sie ein paar private Momente. Probieren, ob die Höhen kommen, wie schwer die Koloraturen fallen und die Partie noch einmal durchdenken. Am Montagabend singt sie die Fiorilla in Rossinis "Il turco in Italia" und schon beim Sprechen hört man das Problem: Die Sängerin ist erkältet, die Stimme klingt belegt.

"Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding", zitiert sie die Marschallin aus "Der Rosenkavalier". Sie zerrinne einem zwischen den Fingern. Marlis Petersen erinnert sich, dass sie während des Studiums in Stuttgart manchmal gelangweilt auf dem Sofa gesessen habe. "Ich hätte tausend Dinge tun können, aber ich konnte mich nicht aufraffen." So etwas gibt es in ihrem Leben nicht mehr. Sie hat noch nicht einmal die Zeit, den Jetlag zu spüren, wenn sie von Kontinent zu Kontinent fliegt. Ankommen, Proben, Singen, Abfliegen.

Dabei ist Hektik genau das, was ihr die Arbeit schwer macht. "Ich werde hochatmig und es fallen auch schon mal ein paar Tassen runter." Beim Einstudieren einer neuen Partie brauche sie Zeit: "Das ist ein Näherungsprozess." Richtig gerne würde sie sich mal mit einem italienischen Belcanto-Spezialisten auf eine Rolle vorbereiten. Doch daran ist zurzeit nicht zu denken.

Wann ist der Moment gekommen, an dem Marlis Petersen auf die Bremse tritt? "Jetzt", sagt sie bestimmt. Sie habe einen Entschluss gefasst, über den sie zurzeit noch nicht spricht. Ganz offen ist sie bei einem anderen Thema: "Es ist kein Geheimnis, dass ich nächstes Jahr 40 werde. Und ich wünsche mir ein Leben mit Kindern. Zumindest mit einem. Dann blickt man ohnehin ganz anders auf die Welt."

Vita: Marlis Petersen studierte Gesang an der Musikhochschule Stuttgart bei Sylvia Geszty. Von 1998 bis 2003 gehörte sie zum Ensemble der Rheinoper. Für Alban Bergs "Lulu" wurde sie von der Zeitschrift "Opernwelt" zur Sängerin des Jahres gewählt. 2005 debütierte sie als Adele ("Die Fledermaus") an der Met in New York. 2010 wird sie die Titelpartie "Lulu" an der Met und der Mailander Scala singen.

Gastspiel: In Düsseldorf ist sie das nächste Mal am Samstag, 29.Dezember, ab 19.30Uhr in "Il turco in Italia" zu erleben. Karten: Telefon 0211/8925211.

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