Ausstellung bei Boerner Herkules und seine Nachfolger

Düsseldorf · Eine Ausstellung der Galerie Boerner zeigt die Auseinandersetzung mit einer antiken Skulptur in zwei Düsseldorfer Bearbeitungen.

 Der Bildhauer Fritz Coubillier versah den Herkules in seiner Bronzeskulptur am Düsseldorfer Fürstenplatz mit einer Schmiedezange.

Der Bildhauer Fritz Coubillier versah den Herkules in seiner Bronzeskulptur am Düsseldorfer Fürstenplatz mit einer Schmiedezange.

Foto: Boerner

C. G. Boerner, einst das traditionsreichste Kunstantiquariat Deutschlands, 1826 in Leipzig gegründet, mit Goethe als Kunde, ist seit Kriegsende in der Carlstadt beheimatet, aber nur noch als Dependance. Firmensitz ist New York, das ursprünglich als Zweitsitz von Düsseldorf betrieben wurde. Heute gehört Boerner dem Fachmann Armin Kunz, zugleich Vorstand der wichtigsten Kunstmesse ISPDA für alte Druckgrafik. Boerner Düsseldorf wird als Dependance von F. Carlo Schmid betreut – und genau dort hängt der berühmte Stich des Herkules Farnese von Hendrick Goltzius, der in Düsseldorf gleich zwei Liebhaber hat.

Der niederländische Kupferstecher Goltzius schuf den Herkules um 1600 nach dem antiken Original, das sich damals in Rom befand. Der Stich ist brillant und humorvoll zugleich. Das Anschwellen und Abschwellen der Muskeln in der Modellierung des Körpers sucht seinesgleichen. Auf sein Blatt greifen zwei Düsseldorfer Künstler im Abstand von 100 Jahren zurück: der Bildhauer Fritz Coubillier (1869–1953) mit dem Industriebrunnen auf dem Fürstenplatz und die Malerin und Grafikerin Pia Fries, die die „Körperlichkeit der Figur“ und der „Herausbildung der Muskeln wie Kugeln“jetzt in Siebdrucken lobt.

Ein Husarenstück ist Coubilliers Bronzeskulptur. Der Meisterschüler der Kunstakademie verwandelt den Heros der Antike und des Manierismus in einen Helden der Arbeit. Er übersetzt die übernatürlichen Kräfte des griechischen Halbgottes ins Industriezeitalter. Der Sohn des Göttervaters Zeus, der bei Goltzius noch die drei goldenen Äpfel der Hesperiden locker in der Hand auf dem Rücken hält, kommt nun ohne diese Beweise seiner erfolgreichen Taten aus. Die Hand bleibt leer.

 Auf der Grundlage des Herkules Farnese schuf Pia Fries einen Siebdruck, der das Original fragmentiert.

Auf der Grundlage des Herkules Farnese schuf Pia Fries einen Siebdruck, der das Original fragmentiert.

Foto: Boerner

Als Stütze für die Ganzfigur nimmt Coubillier weder Keule noch Löwenfell, sondern eine Schmiedezange. Alles andere bleibt, die heroische Nacktheit, Übergröße, Muskelpakete sowie der Griff der Hand in die Taille. Damals wie heute wirkt die Figur stolz und leicht sexy. 1913 stand der Brunnen mit den Figuren im Ehrenhof, musste aber mit dem Umbau der Gebäude in die Friedrichstadt weichen.

Pia Fries setzt sich mit Goltzius seit 2010 auseinander. Ihre aktuelle Serie „Disloziert“, die sie bei Boer­ner zeigt, entsteht seit dem Jahr 2018. Ihre Vorgehensweise schildert sie selbst folgendermaßen: „Ich fotografierte den Kupferstich, schnitt den Heros aus seiner Umgebung heraus, stellte Filme her und belichtete sie für den Druck auf Sieben.“ Den lateinischen Titel „Disloziert“ übersetzt sie mit „verschoben“ und erklärt: „Ich falte die klassische Figur auseinander, zeige sie in den verschiedenen Ansichten, die ich ineinander, übereinander und untereinander schiebe. Ich sorge für eine malerische Überarbeitung von Hand. Je nach Ausrichtung der Siebe wird das jeweilige Motiv fließender. So verliert der Herkules seine Standhaftigkeit. Ich mache aus der Radierung einen farbigen Siebdruck in größerem Format.“

 Die Vorlage: Herkules Farnese (um 1600) auf dem Kupferstich von Hendrick Goltzius.

Die Vorlage: Herkules Farnese (um 1600) auf dem Kupferstich von Hendrick Goltzius.

Foto: Boerner

Ihr Herkules ist Vexier- und Suchbild, teilweise seitenverkehrt, fragmentiert, zerstückelt und neu zusammengesetzt. Sie umhüllt die Figur mit koloristisch zurückhaltenden Farben. Doch trotz aller Manipulation bleibt auch bei ihr der Herkules ein Symbol für die Kraft in der Kunst und mithin eine Analogie zum Künstlerdasein. Diese Kraft könne nicht nur, so ihre Meinung, aus einer Verfremdung von Vorlagen geschehen, sondern da müsse auch eine „Kraft von oben kommen“.

Das Vorbild von Hendrick Goltzius entlieh Boerner vom Museum Kurhaus Kleve aus der Sammlung Robert Angerhausen. Es ist der Höhepunkt in der Ausstellung Pia Fries.

Galerie C.G. Boerner, Grabenstraße 5, „Herkules Farnese – Pia Fries“, bis 29. April, montags bis freitags, 9 bis 18 Uhr.

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