Heine-Uni: Die Kunst des Übersetzens

Preisträgerin Vera Elisabeth Gerling nutzt ihre Freiheiten.

Düsseldorf. „Man kann einen Text niemals eins zu eins zu übersetzen“, sagt Vera Elisabeth Gerling. „Aber gerade das macht meinen Beruf so faszinierend.“ Seit über zehn Jahren lehrt und praktiziert die wissenschaftliche Mitarbeiterin am romanistischen Institut der Heinrich-Heine-Universität das Übersetzen spanischsprachiger Texte. „Die Arbeit ist zugleich inspirierend und kreativ“, sagt Gerling. Und genau das habe sie gereizt, als sie sich entschied, Literaturübersetzen in Düsseldorf zu studieren.

Zuletzt übertrug die 42-Jährige den Gedichtband „Das Alter der Wolken“ des argentinischen Lyrikers Héctor Dante Cincotta. Eine Leistung, für die sie mit dem städtischen Förderpreis 2010 ausgezeichnet wurde. „Ein Gedicht zu übersetzen, ist eine wahre Meisterleistung“, bestätigt Marianne Schirge, Leiterin des Düsseldorfer Kulturamtes.

„Man muss die Fremdsprache perfekt beherrschen, aber auch eine hohe Kenntnis des Deutschen besitzen, um den Inhalt korrekt und wohlklingend wiederzugeben.“ Daher gebe es bei literarischen Übersetzungen häufig große inhaltliche und qualitative Unterschiede.

Ein Wort habe bekanntlich vielerlei Bedeutungen, je nach Zusammenhang und Hintergrund. Der Übersetzer werde zunächst selbst zum Leser und produziere eine eigene Interpretation dessen, was er im Original vorfindet. „Cincotta war häufig überrascht, was ich in seine Gedichte hinein gelesen habe“, sagt Gerling.

Zur inhaltlichen Annäherung komme bei Gedichten erschwerend die Wahrung der lyrischen Textform hinzu. Oftmals müsse der Übersetzer abwägen, ob ihm eine möglichst korrekte Wortwahl oder aber der Erhalt von Reimschema und Rhythmus wichtiger sei. „Ich habe oft mit dem Autor zusammengesessen und ihn gefragt, was ihm mehr am Herzen liegt“, sagt Gerling. Am Ende präsentierte die Übersetzerin die Dichtungen in wohlklingendem Daktylus-Versmaß.

Für den Förderpreis vorgeschlagen wurde Gerling von Georg Aehling, Leiter des Düsseldorfer Virgines Verlags. Dieser hatte den 72 Seiten starken Gedichtband auf Anfrage von Gerling und Cincotta veröffentlicht. „Ein ungewöhnlicher Weg“, sagt Gerling. Normalerweise suche der Verlag das Projekt aus und beauftrage dann den Übersetzer.

Wofür sie das Preisgeld von 4000 Euro verwenden will, weiß Gerling noch nicht genau: „Vielleicht investiere ich es in eine Betreuung für meine Kinder“, sagt sie. Dann hätte die zweifache Mutter Zeit, sich bald neuen Übersetzungen zu widmen.

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