Schauspielhaus Heimat in die Uniform gezwängt

„Der Hauptmann von Köpenick“ tritt in Düsseldorf tragikomisch auf. Wohin Regisseur von Treskow mit ihm will, bleibt unklar.

Schauspielhaus: Heimat in die Uniform gezwängt
Foto: Sebastin Hoppe

Düsseldorf. Beim einen platzt sie aus allen Nähten, den anderen drückt sie im Genick. Nur bei Wilhelm Voigt sitzt sie wie angegossen. Kaum hat er die Hauptmanns-Uniform am Leib, steht die Heimat um ihn herum stramm. Für einen Moment scheint es, als könne dieser Mann einen Platz zum Leben finden. Er, der Zuchthäusler ohne Papiere und Arbeit. Er, der sich seinen Rang beim Trödler aus den Altkleidern erworben hat. Und dann fliegt „Der Hauptmann von Köpenick“ auf — eine Maskerade und ein Militärstreich, der als Köpenickiade in die Geschichte eingegangen ist.

Heimat steht in riesigen Leuchtbuchstaben über der klinisch-weißen Bühne, auf der Regisseur Christian von Treskow das „deutsche Märchen“, wie Carl Zuckmayer sein 1931 uraufgeführtes Stück nannte, spielen lässt. Wuppertals ehemaliger Schauspielintendant nimmt als Gastregisseur im Düsseldorfer Großen Haus der Tragikomödie trotz Mundart jedes nostalgische Klischee des weltberühmten Rühmann-Films. Wie choreografiert und stark überzeichnet bewegen sich die Schauspieler, egal ob Offizier, leichte Dame oder Bürger, im Gleichschritt. Von draußen dringt dumpf die Marschmusik. Ihre Kostüme (Sandra Linde, Dorien Thomsen) erinnern an die Pickelhauben-Zeit und doch erscheinen sie in der Übertreibung eher wie Kunstwesen oder Karikaturen.

Dann schlägt der Regisseur eine andere Richtung ein: Kein Erbarmen hat die kalte und klare Frauenstimme (Hanna Werth) aus dem Off, die dem verzweifelten Voigt jede Hoffnung auf Papiere und damit auch auf Arbeit nimmt. Ja, warum wolle er denn unbedingt in Deutschland leben? Nein, für unsichere Elemente sei hier kein Platz. Nah liegt der Gedanke an die vielen Menschen, die zurzeit in unser Land kommen. Nah auch die Erfahrungen derer, die mit den Verwaltungen kämpfen, um zu ihren Rechten im Rechtsstaat Deutschland zu kommen. Aber so deutlich will von Treskow es dann doch nicht. Geradezu naturalistisch bricht die Entstehungszeit des Stücks in seine Inszenierung. Eine Kulisse wird von hinten ins Bild geschoben. In der Arme-Leute-Gemütlichkeit des Wohnzimmers der Schwester träumt sich Voigt mit einem schwindsüchtigen Mädchen in die Ferne, liest ihr aus den „Bremer Stadtmusikanten“ vor.

Dem Hauptdarsteller Tilo Nest gelingen diese tragischen Momente ebenso wie die komischen. Er bewegt sich gebrochen und krumm, was er sagt ist gerade und aufrecht. „Wo is denn de Heimat, Mensch? In’n Polizeibüro? Oder hier, ins Papier drinnen?! Ick seh ja gar keene Heimat mehr, vor lauter Bezirke!!“ Großartig sein minutenlanger, fast regungsloser Blick ins Publikum, als er in voller Montur über sich und die Welt staunt. Viel Applaus gibt es für seinen Auftritt. Dem zweieinhalbstündigen Theaterabend fehlt hingegen eine Haltung der Regie, die die einzelnen Teile zu einer überzeugenden Einheit hätte verbinden können.

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